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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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Stückchen vom Lauch.
    Hernach wärme alles langsam wieder auf, würze mit Salz und
Pfeffer nach. Zum Schluss gebe etwas Kümmel dazu, siede die Suppe aber nicht
mehr, sondern halte sie einen Augenblick lang warm. Richte die Suppe mit
gebuttertem Kümmelbrot an.

    Aus Franz Vincent Müllers Kochbrevier Die gute
Volksküche,  erschienen zu Hamburg im Jahre 1802

     
    Am folgenden Tag, Schlag zwölf, steht der Emil mit
seinen Knechten und vier weiteren Männern in der Türe. Schweigend und mit Blick
auf ihre Schuhspitzen treten sie ein. Lisbeth kennt sie, sind allesamt alte
Junggesellen, Witwer oder Strohwitwer, denen keiner daheim etwas Gutes kocht.
Da ist der Schäfer-Karl, dem die Frau davongelaufen ist, und sein depperter
Sohn, der Hannes. Auch der Müller aus Hommersum ist dabei, der hat schlohweißes
Haar und ein lahmes Bein. Ihm ist vor Jahren die Frau im Kindbett gestorben und
das Kind gleich mit. Sogar der Schmied ist erschienen, ein Hagestolz, wie es
heißt, der am Ort viel zu sagen hat. Der zieht zuletzt die Traute hinter seinem
Rücken hervor, die in Goch wohnt und den Männern für Geld zu Willen ist.

    Im Sonntagsstaat sind sie alle gekommen, hocken um den
großen Tisch am Ofen und sprechen leise, wie sich das bei einer Totenfeier
gehört.
    Dass der Ochsenwirt ein tüchtiger Mann gewesen sei, sagt einer.
»Energisch! Willensstark!«, sagt ein anderer. Alle nicken. Mehr gibt es über
den Ochsenwirt nicht zu sagen.

    »Doch dann hat er immer schlechter sehen können. Im
Frühjahr wurd er ganz blind. Und dann siech«, flüstert der Schmied der Traute
zu, die den Toten nicht gekannt hat.
    »Weil unserem Herrgott das so gefallen hat«, ergänzt der
Schäfer-Karl.
    Wieder nicken alle und verstummen. Im Ofen knistert das
Feuer.

    Als Lisbeth die dampfende Terrine hereinträgt und in der Tischmitte
platziert, atmen die Gäste auf. Die Löffel schurren leise auf der Tischplatte,
während Lisbeth die nach Speck, Rüben und Kümmel duftende Suppe in die Teller
schöpft. Dazu reicht sie jedem ein Stück Brot und einen Klacks Butter.

    Die Versammlung schlürft, schmatzt und lässt die Schnapsflasche
kreisen, die der Emil mitgebracht hat.

    »Kannst du gut kochen, Lisbeth!«, sagt der Müller unter
zustimmendem Gemurmel. Kein Tropfen ist in der Terrine zurückgeblieben.

    »Mit Weißrüben schmeckt’s viel feiner«, verkündet die Traute
und stößt mit dem Ellbogen den Schmied an, bis er nickt.

    Der Emil tippt sich an die Stirn: »Weißrübedn? Im Novedmber?«
    Lisbeth setzt ein nachsichtiges Lächeln auf, trägt
Terrine und Teller davon.
    Der Müller greift zur Klampfe, probiert ein paar Töne,
zupft ein trauriges Lied und singt dazu: »Die Sonn ist hingewiiiichen / der Tag
ist nun verbliiiichen / es dun-kelt al-le Weeelt …«

    Die Schnapsflasche kreist weiter, die Stimmung steigt und
bald schmettern Lisbeths Gäste das Lieblingslied aller, die dem Tod bislang
entronnen sind: »Brüder, lasst uns lustig sein, / weil der Som-mer wäheret /
und der Jugend Son-nen-schein / unser Laub verklä-häret. / Grab und Bah-re
warten nicht …«

    Keiner außer Lisbeth hört, wie es an der Tür klopft. Dumpf
und dröhnend: Nok-nok-nok. So meldet sich vielleicht die Pest an. Oder ein
Inspekteur der Kreisverwaltung. Wer klopft sonst an eine Wirtshaustür, wenn sie
nicht zugeschlossen ist!

    »Und des Schick-sals Ei-fersuucht / macht ihr ste-tig
Flü-ügel, / Zeit und Jah-re fliehn davoon / und vielleich-te schnitzt man
schoon / an unsers Gra-bes Ri-iegel …«

    Da! Noch einmal das Nok-nok-nok. Kräftiger. So kräftig,
dass die Wände zittern und der Gesang jäh abbricht.

    »Hereibn!«, ruft endlich der Emil.

    Die Tür schlägt auf und herein stapfen drei Männer in Uniform,
Preußen, so viel ist sicher. Immerhin keine Dragoner, sondern richtige Soldaten
mit blauen Röcken unter den Mänteln, Spitzhüten und weißen Hosen aus dichtem Kattun.
Zwei tragen ein Bajonett. Kerzengerade stehen sie da, recken den Brustkorb wie
beim Parademarsch, die Knöpfe an ihren Jacken blitzen. Der links ist ein wahrer
Hüne, schultert einen prallvollen Sack, als seien Hühnerfedern darin.

    »Welcher von den anwesenden Personen ist Karl Ochs, Wirt des
Gasthauses zum Ochsen, daselbst in Hassum?«, fragt der kleinste, dickste und
zweifellos älteste in der Mitte. Die Litzen an seinem Mantel weisen ihn als
hohen Offizier aus.

    Lisbeth staunt über den breiten, lippenlosen Mund, aus
dem die Worte herausquellen, muss an einen Frosch
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