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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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die
tönernen Perlen ab und murmelte die Wortfolge, die sie seit ihrer Kindheit
auswendig kennt.

    »In
nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti …«
    Lisbeth liebt das Rosenkranzbeten. So ist man Gott gefällig
und kann doch seinen Gedanken nachhängen, je weniger man von den Lauten
versteht, desto leichter gelingt es.

    »Panem nostrum quotidianum da nobis hodie, et dimitte
nobis debita nostra …«

    Man darf beim Rosenkranzbeten getrost einige Sätze überspringen,
wenn einem die richtigen Wörter nicht einfallen, da ist der liebe Gott
nachsichtig. Das hat ihr die Mutter erklärt, als Lisbeth klein war. Und erst
bei der eiförmigen Kugel in der Mitte der Kette, da dürfen die geheimen Verse
einsetzen.
    »Uns ist in alten Mären wunders vil geseit, von Helden
lobebären, von großer Arebeit …«

    So geheim sind sie, dass nicht einmal der Pastor sie
wissen darf.

    »Was saget Ihr mir von Manne, viel liebste Mutter min?
Ohne der Recken Minne will ich immer sin! So schöne soll es blieben, bis an
minen Tod, dass ich sell von Manne nimmer gewinne Not!«

    Weiter kommt Lisbeth nicht, die Kerze flackert, lässt zarte
Schatten durch den Raum tanzen und sich neu ordnen. Die Mutter sitzt auf der
Bettkante und stopft einen Wollsocken, dem die Ferse durchlöchert ist.

    »Nicht so gut gelaufen auf dem Friedhof, gelt!«, sagt sie
und kneift ein Auge zu, wie sie es früher immer getan hat, wenn sie Lisbeth
unterweisen, aber nicht schelten wollte.

    »Jetzt haben sie einen Grund mehr, über mich herzuziehen.«
Lisbeth lässt den Rosenkranz sinken und die Mutter das Stopfei mit der Socke.

    »Wie sie davongerannt sind! Als hätten sie den Leibhaftigen
gesehen. – Das Ärgste ist, dass ich so gelacht hab!« Lisbeth schlägt die Hände
vors Gesicht.
    »Der Doktor hat gesagt, das waren nur die Nerven, Lisken!«

    »Die Nerven sind den Leuten gut dafür, wenn sie der Rücken
zwickt oder wenn der Fuß lahmt. Dann schreiben die Doktores sie für krank, dass
sie nicht fronarbeiten müssen für die Fürsten und Bischöfe. Aber im Kopf, da
sind die Nerven vom Teufel! Im Alemannischen haben sie neulich eine Frau als
Hexe verbrannt, dabei hat’s vielleicht nur die Fallsucht gehabt, heißt es! Und
die war hellblond wie ein Engel, nicht so rot wie ich.« Lisbeth beißt sich auf
die Finger. »Ob die was gemerkt haben?«

    Die Mutter schüttelt den Kopf, dass ihre Löckchen zittern.
»Woher denn! Machst ihnen jetzt die Trauer glaubhaft vor. Trag das schwarze
Kleid, tu demütig und red ganz wenig.«

    Lisbeth lächelt tapfer. »Mit wem soll ich auch schon lang
reden! Das schwarze zieh ich gern an. Das steht mir nicht zu Gesicht und hängt
an mir wie ein Lappen. Da lassen mich die Kerls in Ruh und die Frauen sind
friedlich!«

    Die Mutter nimmt den Socken wieder auf, sticht in die Maschen,
zieht einen langen Wollfaden durchs Geflecht, dass ihr Arm nach oben fährt und
ihr Zeigefinger samt Stopfnadel sich zum Himmel richtet: »Halt dich an den
Pastor! Der tut dir nix, denn der ist nur geil auf seinen Herrn Jesus. Geh oft
in die Kirch. Gib was in den Klingelkasten! Spend ein paar Eier, wenn ein Fest
ist!«

    Lisbeth nickt.

    Da lässt die Mutter Hand und Stimme wieder sinken,
zwinkert Lisbeth zu und flüstert: »Weißt, dann halten die andern dich für dumm.
Und wer dumm scheint, kommt gut durchs Leben!«

    Lisbeth greift nach dem Rosenkranz.

    »Heilig ist das Land, das ich liegen sehe, den Asen nah
und Alfen. Dort in Thrudheim soll Thor wohnen, bis die Götter vergehen …«

    Bei der Perle mit der angebrochenen scharfen Kante werden
ihr die Lider schwer.

    »Dem Volke schien – sein Fürst geboren, sie wünschen sich
Glück – Glück – zu goldener Zeit – goldener Zeit –«

    »Musst die Kerze ausblasen, Kind!«, ruft die Mutter erschrocken.

    Lisbeth gehorcht und schläft ein.

     
    Mit der Morgendämmerung kommt Wind auf. Der Nebel
zerreißt, verwandelt sich in ein Meer weißer Schlieren, durch die blauer Himmel
blinzelt. Lisbeth prüft alle vier Zimmer des Gasthauses, reißt die Fenster auf,
dass die Vorhänge wehen und die Türen schlagen, setzt sich mitten hinein in die
Novemberkälte, mit Schultertuch, Handschuhen und einer Tasse Minzbrühe. Die
schlürft sie heiß aus, kaut an einem Wecken und denkt nach. Das Haus ist leer
wie selten. Als der Ochsenwirt mit Fieber und Schüttelfrost im Bett lag, als es
überall beißend sauer nach seinem Dünnpfiff stank, da zogen die Logiergäste
eilig aus. Auch die Wirtsstube blieb leer.
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