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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht
Autoren: Matthias Noellke
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kann ich dem wenig entgegensetzen – auch wenn ich derjenige bin, der über die ganze Angelegenheit entscheiden muss. Stellt es mein Gegenüber geschickt genug an, werde ich vermutlich in seinem Sinne entscheiden. Es sei denn, ich nutze die Situation für eine Demonstration meiner Macht (→ S. 35, „Dominanz und Imponiergehabe“).
    Was aber zeichnet einen „starken Willen“ aus? Wodurch wird er stark? Zwei Faktoren spielen hier eine Rolle:
Ein starker Wille hat eine klare Richtung und ein klares Ziel. Ungeklärtes, Widersprüchliches, noch nicht zu Ende Gedachtes schwächt den Willen.
Ein starker Wille gehört zu mir, er ist Ausdruck meiner Persönlichkeit, meiner Denkungsart und meiner Werthaltung. Er ist nichts Aufgepfropftes oder Übernommenes.
    Ein Wille muss sich entwickeln, muss wachsen, ehe er stark genug ist, um zu wirken. Man muss sich erst einmal klar darüber werden, was man überhaupt will. Dazu muss man die betreffende Angelegenheit durchdenken, möglichst gründlich. Das stärkt den Willen. Dieser Klärungsprozess muss keineswegs im stillen Kämmerlein stattfinden. Ein Austausch, ja, eine Auseinandersetzung mit anderen ist sogar hilfreich. Denn genau darin besteht eigentlich die Willensbildung. Wem es darum geht Macht zu erlangen, der wird eines vermeiden: seinen Willen zu früh zu artikulieren. Damit legt er sich fest. Womöglich ist sein Wille noch zu schwach oder zu unausgegoren. Bei einer Auseinandersetzung würde er den Kürzeren ziehen. Manchmal stellt sich im Nachhinein auch heraus, dass man etwas „Falsches“ gewollt hat. Korrekturen sind dann mühsam und sie stärken nicht gerade die Überzeugungskraft. Daher bleiben manche lieber bei ihrem etwas problematischen Willen. Gerade Führungskräfte wollen sich hier keine Blöße geben, sondern „ziehen die Sache einfach durch“, auch wenn sie kein gutes Gefühl mehr dabei haben. Die Konsequenz heißt daher: Geben Sie Ihrem Willen ausreichend Zeit sich zu bilden und zu reifen. Vorher sollten Sie sich in dieser Angelegenheit möglichst nicht äußern.
    Nun lässt sich das keineswegs immer so handhaben. In einer Position, in der wir bei allen möglichen Themen mitreden dürfen, sind wir häufig gezwungen, Stellung zu beziehen, bevor wir überhaupt wissen, was wir wollen. Vielfach bleibt uns gar nicht die Zeit, jemals einen echten, eigenen Willen auszubilden. Stattdessen halten wir uns an Personen, die uns kompetent oder sympathisch erscheinen und die sich – voneinem „starken Willen“ getrieben – für eine bestimmte Sache aussprechen. Ihr Wille vermag uns regelrecht anzustecken. Wir übernehmen ihre Gründe, ihre Argumente, ohne selbst gründlich darüber nachzudenken. Womöglich machen wir uns dann für eine Sache stark, die eigentlich die Sache eines anderen ist. Wir lassen uns instrumentalisieren, manchmal ohne es zu merken. Und je mehr wir zu entscheiden und mitzureden haben, desto häufiger tritt dieser Fall ein. Denn wir können nur eine begrenzte Anzahl von Angelegenheiten durchdringen und zu „unserer Sache“ machen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich diejenigen, die buchstäblich „das Sagen haben“, von den anderen manipulieren oder gar fernsteuern ließen. Vielmehr verschiebt sich die Angelegenheit. Wenn ich als Entscheidungsträger an einen anderen Willen „andocke“ und ihn übernehme, so gibt es dafür ja Gründe. Aber eben andere als diejenigen, die diskutiert werden.
    Newsletter
    Im Geschäftsleitungskreis soll darüber entschieden werden, ob man für die Kunden einen Newsletter anbieten soll. Das Angebot einer Agentur liegt auf dem Tisch. Herr Kamroth, der Vertriebsleiter, spricht vor der Sitzung mit seinem Assistenten, Herrn Frühschütz darüber, was der von dem Vorschlag hält. Er hält die Idee für interessant, aber den Vorschlag der Agentur für wenig aussagekräftig. Genau diese Argumente präsentiert Herr Kamroth auf der Sitzung. Nicht weil er ihren sachlichen Gehalt überprüft hätte, sondern weil er darauf vertraut: Die Argumente von Herrn Frühschütz haben Hand und Fuß, ich kann mich auf sie verlassen. In der Sitzung muss Herr Kamroth dann diese Position so verteidigen, als sei sie sein eigener Wille. Womöglich wird er auf diese Position festgenagelt und hart kritisiert. Entweder engagiert sich Herr Kamroth nun erst recht für diese Position (nach dem Motto: Wollen wir doch mal sehen, wer hier der Stärkere ist), oder er macht einen Rückzieher und wird sich bei nächster Gelegenheit Herrn
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