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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht
Autoren: Matthias Noellke
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ganz unterschiedlichen Bereichen: vom Ackerbau über die Kulturgeschichte bis hin zu unserer Gemütsverfassung. Demgegenüber weist der Begriff „Zentralgestirn“ weniger Konnotationen auf. Wir denken etwa an Astronomie, Kopernikus und Galilei.
    Worauf es uns ankommt: Konnotationen wirken untergründig. Sie lassen sich nur schwer kontrollieren. Einmal sind sie eingebettet in einen kulturellen Zusammenhang (Sonne als Symbol für Wachstum), zugleich aber sind sie auch etwas sehr Persönliches und Subjektives. Vielleicht gilt Ihr erster Gedanke, wenn Sie das Wort „Sonne“ hören, ja Ihrem Sonnenbrand, den Sie sich gerade zugezogen haben. So etwas kann kein Sprecher vorausahnen. Nun kommen aber längst nicht alle Konnotationen überhaupt zum Tragen. Vielmehr kommt es auf den Zusammenhang an. Ergibt sich eine Verbindung zu einer solchen Konnotation, kann sie sehr stark wirken, denn wir selbst stellen die Verknüpfung her. Damit sind wir wieder beim Thema „Freising“. Gerhard Schröder hat meisterhaft die Konnotation genutzt, die er bei den Fernsehzuschauern vermuten durfte: Freising = kenne ich nicht; liegt wohl irgendwo in der bayerischen Provinz. Durch die Bemerkung „doch jetzt nicht über Freising reden“ zu wollen, hat er genau diese Konnotation zum Klingen gebracht. Stoiber, so die böse, aber wirksame Unterstellung, sieht die Welt aus der Perspektive der bayerischen Provinz.
    Das Erfolgsgeheimnis von Schröders Bemerkung besteht darin, dass sie punktgenau unsere Konnotationen trifft. Wir selbst kommen mit unseren Gedanken Schröder schon halb entgegen. Hätte der Kanzler hingegen erklärt: „Ach, kommen Sie mir doch nicht mit Freising, diesem bayerischen Provinznest. Das können Sie doch nicht verallgemeinern“, er wäre mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Denn als Argument ist „Freising“ eben nicht geeignet.
    Begriffe und Formulierungen, die von einem dichten Kranz an Konnotationen umgeben sind, erzeugen starke Resonanz. Damit eignen sie sich ganz besonders für die Sprache der Macht, wie wir noch sehen werden (→ S. 133, „Begriffe besetzen, prägen und umdeuten“). Allerdings gilt hier auch erhöhte Vorsicht. Schließlich sind einem nicht alle Konnotationen willkommen.
    Finger weg von der „Schwatzbude“
    Ein junger Journalist verfasste einen launigen Kommentar über die Debatten im Deutschen Bundestag, die er wenig mitreißend fand. Dabei bezeichnete er das Parlament scherzhaft als „Schwatzbude“. Dieser sonst eher ungebräuchliche Ausdruck entstammt der nationalsozialistischen Propaganda. In der Weimarer Republik wurde er verwendet, um den Reichstag verächtlich zu machen, wie alle demokratischen Institutionen.
    Solche Konnotationen können den eigentlichen Inhalt vollkommen überlagern. So hilft es dem Journalisten kaum, wenn er darauf hinweist, dass er das Parlament ja gar nicht abschaffen wollte, sondern sich nur für interessantere Debatten ausgesprochen hat. Dieser eine Begriff ist derartig vorbelastet, dass er zumindest bei den halbwegs geschichtsbewussten Lesern nur Kopfschütteln auslösen wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemandem überhaupt bewusst ist, welche Konnotationen seinem Gegenüber in den Sinn kommen. Der kann sie nämlich nicht ohne weiteres ausblenden. Sie kommen ihm einfach in den Sinn und entfalten ihre Wirkung. Noch bevor er darüber nachgedacht hat, was Sie ihm „eigentlich sagen“ wollten.
    Sprache der Macht im Alltag: Konnotationen anknipsen
    Dass Begriffe eine einzige vorherrschende Konnotation haben (wie die „Schwatzbude“), ist die Ausnahme. Viele verfügen über zahlreiche Konnotationen, die Ihren Zuhörern nicht alle zugleich präsent sind. Wollen Sie eine bestimmte Konnotation nutzen, müssen Sie die erst aktivieren. Dies können Sie tun, indem Sie Formulierungen verwenden, die in den gleichen Bereich verweisen. Sprechen Sie beispielsweise davon, dass die „Sonne lacht“, stellt sich als Konnotation womöglich ein freundliches Sonnengesicht ein, wie wir es von Kinderbildern kennen.
    Sprachmuster nutzen und durchbrechen
    Wie Sie sprechen und schreiben, wie Sie etwas formulieren, eine Bitte, eine Kritik, eine Beschreibung, das ist etwas Persönliches. Zumindest wird es Ihnen zugerechnet, welche Worte Sie wählen. Durchaus nicht zu Unrecht, denn jeder hat so seine typische Art sich auszudrücken. Zugleich aber sind wir in der Wahl der Worte gar nicht so frei, wie wir meinen. Das fängt bereits mit unserer Muttersprache an: Im Deutschen
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