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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht
Autoren: Matthias Noellke
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Seehofer berichtete hingegen, wie die Union eine Forderung nach der anderen als „nicht verhandelbar“ abgelehnt habe.
    Ein Wille kann auch vorgespiegelt werden (um möglichst viel für sich herauszuholen oder um sich möglichst bescheiden zu geben). Tatsächlich kann jemand behaupten, etwas zu wollen, an dem er nicht das geringste Interesse hat, zum Beispiel, um Sympathien zu ernten und Unterstützung zu bekommen. Vermeintlich „wollen wir doch dasselbe“. Dabei geht es ihm um ganz andere Ziele, die er aber gewissermaßen im Windschatten seiner Willensanstrengung erreicht, während das eigentliche Ziel bedauerlicherweise verfehlt wird. Schließlich dürfen wir nicht vergessen: Ein Wille kann sich stark verändern, ja, in sein Gegenteil umschlagen.
    Doch bleibt die Grundkonstellation in allen Auseinandersetzungen um die Macht die gleiche: Sie entsteht durch die Einschränkung von persönlicher Freiheit, und zwar der Freiheit der jeweils anderen. Für die muss das nicht immer nur negativ sein. Bekanntlich ist die Freiheit auch mit Zumutungen verbunden – was jemand, der mit Macht umzugehen versteht, für sich nutzen kann. Davon abgesehen lässt sich die Einschränkung von Freiheit gar nicht vermeiden, wo immer Menschen mit unterschiedlichen Interessen aufeinandertreffen – und das ist fast durchgängig der Fall. Allerdings kommt es darauf an: In welchem Maße wird die Freiheit eingeschränkt? Und auf wessen Seite?
    Gründe nachzugeben
    Warum geben Menschen überhaupt nach, folgen nicht mehr ihrem eigenen, sondern einem fremden Willen? Warum unterwerfen wir uns der Macht? Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben. Der naheliegendste: Wir befürchten unangenehme Konsequenzen, wenn wir anders handeln. Dabei gibt es eine geradezu unerschöpfliche Vielfalt an Unannehmlichkeiten, die uns drohen können: Wir bekommen kein Geld, man redet schlecht über uns, erwidert uns keinen Gefallen oder straft uns einfach mit schlechter Laune. Letzteres ist nebenbei bemerkt ein ungemein wirksames Machtmittel, wenn die persönlichen Beziehungen ein wenig enger geknüpft sind. Ob diese Folgen tatsächlich eintreten oder der andere überhaupt mit ihnen droht, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass wir Ärger auf uns zukommen sehen und dann doch lieber dem Willen des anderen folgen.
    Ein weiterer Grund, warum ich meinen eigenen Willen einem fremden unterordne: Der andere kennt sich besser aus als ich, hat Informationen, über die ich nicht verfüge, und kann besser abschätzen, welche Folgen mein Verhalten haben wird – so zumindest meine Einschätzung. Hinzu kommt noch etwas Wesentliches: Ich muss darauf vertrauen, dass er seinen Sachverstand nicht etwa einsetzt, um mir zu schaden. Als Experte kann er nichts ausrichten, wenn ich ihm unlautere Absichten unterstelle – sogar wenn seine Argumentation völlig schlüssig ist. Denn, dass sie schlüssig ist, kann ich als Laie ja gerade nicht beurteilen.
    „Gekaufte“ Wissenschaftler
    Kaum eine andere Institution genießt so hohes Ansehen wie die Wissenschaft. Wenn etwas als „wissenschaftlich erwiesen“ gilt, haben Sie eines der stärksten Beweismittel in der Hand, das Sie in Ihrer Argumentation aufbieten können. Doch sobald der Verdacht auftaucht, der Wissenschaftler sei „gekauft“, kommt es auf dessen Aussagen schon gar nicht mehr an. Auch wenn er streng wissenschaftlich argumentiert und sich auf die ausgefeiltesten Doppelblindstudien beruft, er wird kein Gehör finden.
    Kompetenz allein genügt also nicht, um jemandem zu folgen. Darüber hinaus muss er mir begreiflich machen, dass er es gut mit mir meint. Unterlässt er das, wird er sich wundern, welchen zweifelhaften Autoritäten ich den Vorzug gebe und deren Rat befolge. Umgekehrt eröffnen sich ihm beträchtliche Möglichkeiten mich zu beeinflussen, wenn ich von seinem Wohlwollen überzeugt bin.
    Für unser Thema besonders interessant sind zwei weitere Gründe: Ich folge dem Willen eines anderen, weil ich in der betreffenden Angelegenheit keinen eigenen Willen habe, oder nur einen ungefähren, wenig durchdachten Willen, den er mit ein wenig Nachdruck leicht aus dem Weg räumen kann (Näheres dazu im folgenden Abschnitt „Der starke Wille“).
    Und schließlich gibt es noch den wenig beachteten, aber weit verbreiteten Fall, dass ich nachgebe, weil sich das zwischen uns so eingespielt hat. Dieses Phänomen begegnet uns vor allem in stabilen persönlichen Beziehungen, die gar nicht von einer Hierarchie bestimmt sein
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