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Die Skelettbande

Die Skelettbande

Titel: Die Skelettbande
Autoren: Stefan Wolf
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Auch die anderen hielten an,
stiegen von ihren Fahrrädern und bestaunten den düsteren Kasten. Sie
beobachteten, wie Nils durch das hohe Tor verschwand, das sich wie ein dunkler
Schlund auftat.
    »Absolut ausbruchsicher!«,
murmelte Karl aufgeregt vor sich hin und putzte nervös seine Brille, die voller
Regentropfen war.
    »Wie bitte?«, fragte Klößchen
erstaunt. »Du meinst doch etwa nicht, dass das...«
    Karl unterbrach Klößchen.
    »Doch. Das war einmal ein
Gefängnis. Die Insassen nannten es das Schwarze Loch. Wer hier einmal
einsaß, kam nie wieder lebend raus. So hieß es zumindest.«
    »Das ist ja schauerlich!«,
stammelte Gaby.
    »Das Schwarze Loch war
berüchtigt für seine brutalen Wärter und hat eine lange Geschichte. Es wurde zu
Anfang des letzten Jahrhunderts erbaut. Hier saßen alle möglichen Gauner ihre
Strafe ab. Von Kleinganoven bis hin zu Mördern, die den Rest ihres Lebens hier
verbrachten. Charakteristisch für das Schwarze Loch ist die Farbe. Es
gibt keine Wand, keinen Ziegelstein und keinen Raum, der nicht schwarz ist. Das
sollte als Abschreckung für all jene dienen, die Verbrecherisches im Sinn
hatten.«
    »Wie in ewiger Dunkelheit.«
Klößchen lief ein eisiger Schauer über den Rücken.
    »Das ewige Dunkel hat sich
natürlich nicht positiv auf die Psyche der Gefangenen ausgewirkt. Im
Stadtarchiv gibt es Dokumente über einzelne Insassen, die übergeschnappt sind.«
    »Kein Wunder«, empörte sich
Gaby, »ich finde das menschenunwürdig.«
    »Im weitläufigen Keller des
Gefängnisses gibt es einen sogenannten Beruhigungsraum, wie man das damals
nannte. Heute würde so etwas wohl als Gummizelle bezeichnet werden. Hier kamen
die Gefangenen hin, die verhaltensauffällig wurden oder die man einfach in die
Mangel nehmen wollte«, erläuterte Karl.
    »Woher weißt du eigentlich so
genau Bescheid über dieses Gefängnis?«, staunte Gaby.
    »Ein Freund meines Vaters ist
Kriminologe und hat an der Universität einmal eine Vorlesung über die
Geschichte des Strafvollzugs gehalten. Dabei hat er auch das Schwarze Loch erwähnt«, erklärte Karl. »Nachdem das Gefängnis 1970 geschlossen wurde und etwa
zehn Jahre leer stand, hat man es vollständig umgebaut und renoviert und danach
als Kinder- und Jugendzentrum wieder eröffnet.«
    »Da würde ich meine Kinder doch
niemals hinschicken«, meinte Klößchen bestimmt und zog seinen rechten Fuß aus
dem Matsch, der wie zäher Kaugummi an seinen Gummistiefeln kleben blieb. Der
Regen hatte etwas nachgelassen und durch die Wolkendecke brachen wieder
einzelne Sonnenstrahlen.
    »Lasst uns hineingehen!« Tim
war voller Tatendrang. »Ich bin mal gespannt, was Nils hier zu suchen hat.«
    Langsam schoben sie ihre
Fahrräder zum Eingang. Gerade als sie das Tor passierten, bildete sich am
Himmel ein wunderschöner Regenbogen, der so gar nicht in das Bild dieser
düsteren Höllenlandschaft passte.

 
     
    Die Wände des Raums waren
kunterbunt bemalt und vollgepappt
mit Kinderfotos. Der Fußboden hatte ein schwarz-weißes Schachbrettmuster. Die
Einrichtung bestand aus knallroten Plastikstühlen, die an grünen, gelben und
orangen Tischen standen. Außer den vergitterten Fenstern erinnerte nichts mehr
an ein düsteres Gefängnis.
    Klößchen ließ sich erschöpft in
einen Sitzsack plumpsen, der die Form eines giftgrünen Krokodils hatte, und
seufzte einmal tief auf.
    Gaby war sofort hellauf
begeistert von so viel Frohsinn und positiver Energie. »Das ist toll
eingerichtet!«
    Den Jungs war es zwar etwas zu
viel Farbe, sie sagten aber nichts, um Gabys Enthusiasmus nicht zu dämpfen.
    »Was ist denn das für ein süßer
Racker!«, ertönte plötzlich laut eine Stimme, die etwas zu hoch und dadurch
unangenehm schrill in den Ohren klang.
    Die vier Freunde drehten sich
zur Tür und erblickten eine etwa fünfzigjährige Frau. Mit ihren hohen
Wangenknochen und den spitzen Lippen, die wie ein Strich nach unten gebogen
waren, wirkte sie auf den ersten Blick etwas verbiestert. Aber das Blau ihrer
Augen strahlte derart hell, dass sich dieser Eindruck sogleich verflüchtigte.
Ihr frecher Haarschnitt und die große orangefarbene Korallenkette um ihren
Hals, die auf einem schwarzen, eng anliegenden Rollkragenpullover wie ein
Leuchtfeuer strahlte, gaben ihr eine spezielle Note.

    Die Frau ging in die Hocke und
versuchte, Oskar mit ausgestreckten Armen zu sich zu locken. Oskar
    bellte zwei Mal laut, wedelte
freudig mit dem Schwanz und rannte dann zu ihr. Sie streichelte ihm
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