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Die Skelettbande

Die Skelettbande

Titel: Die Skelettbande
Autoren: Stefan Wolf
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auffallen, das war seine Vorstellung von einem
glücklichen Leben. Deshalb wohnte er auch nicht in einer großen Villa, sondern
in einem schmucken Reihenhaus mit Garten. Vor ein paar Stunden hatte die Sonne
wieder angefangen zu scheinen und die Luft war immer noch feucht vom Dampf der
Regenpfützen. Harkenthal hielt sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit, als
er aus der Stadt hinaus und über das kurze Stück Schnellstraße fuhr, das zu dem
kleinen Vorort führte, in dem er und seine Familie wohnten. Im Autoradio
dudelte irgendein Klassiksender und er freute sich schon auf das Abendessen. Er
passierte das gelbe Ortsschild und bog rechts ab in eine Neubausiedlung. Es war
niemand mehr auf der Straße. Nur ein knallroter Gummiball, den ein Kind beim
Spielen vergessen haben musste, lag vor einer Einfahrt und stach wie ein
Farbtupfer aus dem Einerlei der Häuser hervor, wo nur kleine Details wie ein
anderes Gartentor oder ein angebauter Wintergarten Individualität
demonstrierten.
    Konrad Harkenthal hielt den
Wagen an, schaltete den Motor aus, packte seine braune Aktentasche und stieg
aus. Er lief über den asphaltierten kleinen Weg zum Haus, der am Garten mit dem
kurz geschorenen Rasen und dem perfekt angelegten Blumenbeet vorbeiführte.
    Irgendetwas war anders heute.
Das merkte er sofort. Normalerweise machte seine Frau immer die
Außenbeleuchtung an, wenn er nach Hause kam.
    Jetzt war es dunkel. Nur im
Haus brannte ein mattes Licht. War seine Frau noch Besorgungen machen?
    Das konnte nicht sein. Die
Geschäfte waren längst geschlossen. Was war hier los? Er merkte, wie sich ein
Kloß in seinem Hals bildete. Intuitiv spürte er, dass etwas Schlimmes passiert sein
musste.
    Er eilte zur Haustür, fischte
nervös den Haustürschlüssel aus seinem Jackett und schloss auf. Ohne auch nur
das kleinste Geräusch zu verursachen, ging er hinein. Auf den ersten Blick
schien alles wie immer.
    Der beige Mantel seiner Frau
und die Jacken seiner Söhne hingen an der Garderobe, ihre Schuhe standen
nebeneinander in einem offenen Schuhschrank und zwei nasse Schirme ragten aus
dem Schirmständer in der Ecke. Wahrscheinlich war seine Besorgnis umsonst
gewesen. Er wollte schon nach seiner Frau rufen, als er plötzlich dreckige
Schuhabdrücke, die von Profilsohlen herrührten und die er nicht einordnen
konnte, auf dem weiß gefliesten Boden entdeckte. Es musste also noch jemand
hier gewesen sein oder noch immer hier sein!
    Sollte er die Polizei verständigen?
Er kramte schon nach seinem Handy, beschloss aber dann doch, erst auf eigene
Faust herauszufinden, was hier los war. Behutsam öffnete er die Tür zum
Wohnzimmer. Die Deckenlampe war ausgeschaltet. Nur eine Stehleuchte mit
rötlichem Schirm brannte und sorgte für spärliches Licht.
    Harkenthal fand keine Spur
eines Einbruches oder einer gewalttätigen Auseinandersetzung. Wo war seine Frau
und wo waren seine Kinder? Im Haus war es totenstill, nur das Brummen des
Kühlschranks aus der offenen Küche war zu hören.
    Plötzlich vernahm er ein
verängstigtes Wimmern. Kam es aus dem Keller? Er stürzte nach unten. Hinter der
grauen Eisentür des Hobbyraumes konnte er ein verzweifeltes Stöhnen hören. Er
riss die Tür auf und blieb vor Schreck wie erstarrt stehen.
    Der Raum war dunkel, nur ein
paar Kerzen brannten und tauchten alles in ein schummeriges Licht. In der Mitte
des Zimmers waren seine Frau und seine beiden Söhne mit dicken Stricken an
Stühle gefesselt. In ihren Mündern steckten Knebel. Furcht spiegelte sich in
ihren Augen. Auf die graue Wand hinter ihnen war mit Neonfarbe ein riesiger,
schauriger Totenschädel gemalt.
    Es dauerte eine weitere
Schrecksekunde, dann löste sich Harkenthal aus seiner Erstarrung. Er stürzte zu
seiner Familie und band sie los.
    Seine Frau Ingrid fiel ihm
überglücklich um den Hals und drückte ihn so fest an sich, dass es ihm für
einen Moment die Luft abschnürte. »Gott sei Dank. Du bist hier«, keuchte sie.
Sie war bleich wie der Tod.
    »Was ist passiert?«, fragte
Harkenthal mit bebender Stimme.
    »Zwei vermummte Männer sind ins
Haus eingedrungen, haben uns überwältigt und in den Keller geschleppt«,
stammelte sie.
    Hendrik, der ältere Sohn,
meldete sich zu Wort.
    Er stand noch unter Schock und
sprach so monoton wie ein Roboter: »Das soll ich dir von den Einbrechern
geben.« Er streckte seinem Vater einen weißen Briefumschlag hin. Harkenthal
öffnete vorsichtig den Umschlag. Darin befand sich ein Foto, das er eine Weile
betrachtete,
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