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Die Skelettbande

Die Skelettbande

Titel: Die Skelettbande
Autoren: Stefan Wolf
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ohne ein Wort zu sagen.
    »Was ist das denn, Konrad?«,
fragte seine Frau ängstlich und versuchte einen Blick auf das Foto zu werfen.
    Aber Harkenthal schob das Bild
schnell wieder in den Umschlag und steckte ihn in seine Hosentasche. »Nichts
Wichtiges«, sagte er. Man konnte merken, dass er log.
    »Wir müssen sofort die Polizei
verständigen«, insistierte seine Frau und eilte nach oben.
    »Ja, ja«, sagte Konrad
Harkenthal vor sich hin. Er war in Gedanken ganz woanders. Auf dem Bild hatte
er etwas gesehen, was er ganz tief in sein Unterbewusstsein verdrängt hatte.
Doch an diesem Abend holten ihn die Schatten der Vergangenheit wieder ein.

 
     
    »Links, rechts, Ausfallschritt
nach vorne und jetzt einmal
um die eigene Achse!« Der schwarze Hip-Hopper Jay T beobachtete seine Schüler
in dem übergroßen Spiegel an der Stirnseite des Raumes, um zu sehen, ob sie
alles richtig machten. Das Einüben der Tanzschritte war zwar anstrengend
gewesen, aber für das erste Mal hatte Gaby sich schon wacker geschlagen.
Klößchen dagegen hatte sich wie erwartet recht ungeschickt angestellt. Als er
sich jetzt um die eigene Achse drehte, geriet er aus der Balance und plumpste
auf den Hosenboden.
    Jay T rieb sich den Schweiß von
der Stirn, ging zu dem großen Ghettoblaster, der auf der Fensterbank stand, und
machte die wummernde Musik aus. Oskar, der in einer Ecke lag, heulte kurz
vorwurfsvoll auf, so als ob er sagen wollte: »Ey, was machst du da? Lass die
Musik an!«
    Klößchen zog ein
schuldbewusstes Gesicht, als Jay T auf ihn zukam und ihm hochhalf.
    »Keine Sorge, Alter«, sagte der
Hip-Hopper. Er sprach mit amerikanischem Akzent. »Das wird schon. Du hast gute
Ansätze. Am Ende des Kurses wirst du richtig gut sein. Hey Ho«, versuchte er
Klößchen aufzumuntern und grinste. In seinem schneeweißen Gebiss blitzte ein
goldener Schneidezahn auf.
    »Hey Ho« erwiderte Klößchen
zögernd und schaute peinlich berührt in die Runde. In seinem Hip-Hopper-Outfit
mit den weiten Hosen und dem riesigen Shirt sah er ungewohnt cool aus. Tabata,
ein hübsches, anmutiges Mädchen mit dicken Zöpfen stand neben Klößchen und
lächelte ihn schüchtern an. Klößchen schaute kurz hinüber zu ihr, drehte sich
aber schnell wieder weg, weil er nicht wollte, dass sie bemerkte, wie er rot
anlief. Jay T hatte mittlerweile die Musik wieder angeworfen und es ging weiter
im Takt.

    Den Bass der Beats konnte man
bis draußen hören, wo Karl und Tim gerade für das Fußballmatch aufgestellt
wurden. Das Spielfeld befand sich auf dem ehemaligen Innenhof des Gefängnisses.
Um den Platz herum hatte man Holztribünen für die Zuschauer errichtet. Mit viel
Fantasie konnte man sich vorstellen, dass man in einer echten Fußballarena
spielte.
    »Bis zum Turnier gegen die
Mannschaften der anderen Jugendhäuser haben wir noch vier Wochen Zeit. Wenn wir
uns ins Zeug legen, können wir sie schlagen, Jungs!« Gundolf Pollecker, der
Leiter des Jugendhauses, ballte seine Hand zu einer Faust und streckte sie
siegesbewusst nach oben gegen den blauen wolkenlosen Himmel. Er trug eine etwas
zu große schwarze Baseballmütze, die seine Glatze vor der Sonne schützte.

    Mit Anfang vierzig hatte er
sich sein jungenhaftes Aussehen bewahrt und war nicht, wie viele andere seiner Altersgenossen,
durch ein Leben in Wohlstand wie ein Hefekuchen auseinandergegangen. Auf seiner
linken Wange prangte ein auffallend großes, dunkles Muttermal und auf seiner
vogelartig spitzen Nase saß eine moderne, schmale Hornbrille, die ihm einen
Anschein von Intellektualität verlieh. Seine Kleidung war modisch, aber nicht
übertrieben jugendlich. So einen wie ihn wünschte man sich als Vater, weil er
kumpelhaft und verständnisvoll war. »Wir müssen uns noch einen Namen für die
Mannschaft ausdenken! Habt ihr Ideen?«, wandte er sich an die Jungs.
    »Die Plattmacher«, scherzte ein dürrer, rothaariger Lockenkopf, der Benedikt hieß und das ganze
Gesicht voller Sommersprossen hatte. »Weil wir sie plattmachen werden, diese
Mistkäfer!«, feuerte er die anderen an, die sofort laut losjohlten.
    »Wie wär’s mit die Knastis ?«,
schlug Nils vor, der neben Tim stand.
    »Das passt zu uns wie die Faust
aufs Auge!«, bestätigte Franz, ein kleiner, aber extrem drahtiger Junge, der
seine Haare immer millimeterkurz rasierte.
    »Und perfekt dazu wäre ein
schwarz-weiß gestreiftes Spieleroutfit!«, begeisterte sich Benedikt und rieb
sich die Nase, auf der sich bereits ein leichter Sonnenbrand
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