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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper
Autoren: Andrea Camilleri
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Bortuzzi, lebend hörte ich den steinigen, holprigen Klang des Toskanischen herrlich mißtönend, ließ mich aber auch auf das Mailänderische (ein Amalgam aus Lateinisch, Spanisch und Österreichisch), das »arabisch« klingende Piemontesisch und das lässig arrogante bis vulgäre Römisch, den Hauptstadtslang, ein.
    Die Versuchung war groß, sich beim Übertragen dieser Sprache aus dem Süden (auch als politischem Ort) an die südliche Linie der deutschen Lande zu halten und Begriffe zu schöpfen aus dem Alemannischen, »Badensischen«, »Pälzerischen«, »Stuurgarterischen«, »Bajuvarischen«, »Großösterreichischen«. Nehmen wir das feinfühlig Sizilianischen einen süddeutschen Dialekt gewählt, wie hätte ich mich bloß bei den anderen verhalten sollen?
      Auf dem Hintergrund der historischen Erzählwelt, der Irrungen und Wirrungen bei der Bildung des italienischen Staatenpuzzles, der Unità d'Italia, des italienischen Einheitsstaats (den es meiner Ansicht nach auch heute noch nicht gibt) zeichnet sich das Grundthema ab: Sprache nicht nur als Machtinstrument, sondern als wirksame Form des Widerstands zu gebrauchen. Die Parole heißt seit immer schon: auf der Hut vor unliebsamen Zuhörern, den Fremdherrschern, sein, die die Geschicke Siziliens seit Jahrtausenden lenken. Deshalb wird der sizilianische Dialekt (dessen Verben keine Zukunftsformen kennen) quer durch die Klassen gesprochen und verstanden: adlige wie nichtadlige Großgrundbesitzer, Handeltreibende, Intellektuelle und das arbeitende Volk hatten und haben sich letztlich alle auf die eine oder andere Weise gegen die alten wie neuen Invasoren zur Wehr zu setzen. Auch der reinen Geist atmende sizilianische Intellektuelle, Kosmopolit oder bodenständige Städter beherrscht die gesamte Skala des Sizilianischen. Etwas Vergleichbares gibt es im Deutschen nicht. Denn Dialekteinschläge, herkunftsweisende Tonfälle sind in den bildungshungrigen Klassen wie Unkraut zu jäten, um den Boden fein krümelig für ein reines »gutes Deutsch« zu machen.
    Wenn die anderen uns nicht verstehen sollen: um die »Geheimsprache« noch »mysteriöser« zu machen, ist das übersetzen war für mich ein besonderer Lustgewinn. Leise Ratlosigkeit machte sich erst breit, als es konkret um die »Artischockenhand« ging, die vielsagende, für Süditalien typische Geste, mit der sich der Fragende in des Befragten Gewissen bohrt, ihn erforscht und in der Handhöhle Raum läßt, die oft ebenfalls unausgesprochene Antwort aufzunehmen. Konnte ich aber Gewißheit haben, daß der deutsche Leser auch tatsächlich diese Distelfrucht in ihrer geschälten Version vor Augen hat? Da ich keine Befürworterin der auf Teufel komm raus importierbaren Lebenswelten bin – auch Sprache ist keine feile Ware –, habe ich eine andere Lösung gewählt.
      Und was wäre ein Theater ohne raschelnde Roben? Beim Kleid der Frau Präfektin mußte ich mich eines weiteren »Kniffs« bedienen. Jenes ist nämlich knallbunt wie eine Cassata. Nur in der Vorstellung des Sizilienkenners hätte dieser Name das richtige, herkunftskontrollierte Farbenspektakel gezündet: die cassata alla siciliana ist nämlich kein blasses Vanilleeis mit kandierten Früchten, das portionsgerecht abgepackt im Supermarkt auf die italiensehnende Hand wartet, sondern ein kaum zu beschreibendes, duftiges ebenso wie schweres, farbenrauschendes Zuckergebäude, für das der Name Torte ein nüchterner wissenschaftlicher Begriff ist. Dieses Kunstwerk schmückt die ganz großen Anlässe, und je süßer, desto fester klebt die Erinnerung daran.
    Bei den ausgefeilten, in der Hierarchie des Lebens, nicht
    nach welcher Musik wird getanzt?) so augenfällig ist.
      Und daß die Vigateser Musikkenner ersten Ranges sind, dürfte ja inzwischen der ganzen Welt klar sein. Darüber hinaus ein lustiges, anarchisches Völkchen, von dem es mehr geben sollte in diesem Europa.

    Monika Lustig
    Florenz, im März 1999

    Die Nacht war zum Fürchten
    (Snoopy, Der Roman)

    Ein Gespenst geht um in Europa
    (K. Marx / F. Engels, Das kommunistische Manifest)

    Sollte er das Moskitonetz aufheben?
    (A. Malraux, So lebt der Mensch)

    So ruft denn Emanuele
    (H. Melville, Moby Dick)

    An dem Tag, an dem
       (G. García Márquez, Chronik eines angekündigten Todes)

    Meine sehr verehrten gnädigen Frauen und gewissermaßen sehr verehrten gnädigen Herren
    (A. Tschechow, Über die Schädlichkeit des Tabaks)

    Turiddru Macca, der Sohn
    (G. Varga, Cavalleria
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