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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper
Autoren: Andrea Camilleri
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endgültig auf den Bierbrauer.
    Im Gegensatz zu dem, was in Zeitungen und Kreisen laut wurde, die der Regierungspartei nicht freundlich gesinnt waren, wurde die Aufführung nicht von relevanten Mißhelligkeitsbekundungen gestört. Es gab Ausrufe des Staunens über die Schönheit der Bühnenbilder und die Verhalten aufzurufen hätte der örtliche Polizeikommissar, Sebastiano Puglisi, Sorge tragen müssen. Doch gerade er ist der wunde Punkt dieses unglückseligen Ereignisses, und wir werden uns bemühen, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Puglisi ist ein ordinärer Mensch von heftigem Temperament – üble Eigenschaften, die durch sein ehebrecherisches Verhältnis mit einer jungen Frau aus Vigàta, deren Schwester, eine Witwe, infolge des Brands eines grausamen Todes starb, noch verstärkt wurden. Vielleicht um das untreue Weib mit großzügigen Geschenken an sich zu binden, hatte Puglisi sich der Protektion des illegalen Lotteriespiels verschrieben, das zu jener Zeit auf der Insel eine schlimme Plage war, die ausgerechnet im Schutze derjenigen gedieh, die eigentlich gegen sie vorgehen und dieses Laster unterbinden sollten. Bei dem von Präfekt und Polizeipräsident umgehend eingeleiteten Kampf gegen das Verbrechen kam die Rolle des Puglisi in diesem schmutzigen Geschäft ans Tageslicht. Aber Puglisi konnte seinen Kopf aus der Schlinge ziehen; dank einer Fehleinschätzung des Polizeipräsidenten, die nur seinem gutmütigen Wesen zuzuschreiben ist, konnte der Kommissar im Amt bleiben und da sein intrigantes Werk fortsetzen. Anstatt während der Theatervorstellung einzuschreiten und umzustimmen, zu besänftigen und zu bekehren, zeigte er dann auch, wie es einem üblen Charakter nun einmal eigen ist, eine Art hochmütiger Gleichgültigkeit. Der Vollständigkeit halber muß gesagt sein, daß Puglisi zwei Tage nach dem Untergetauchten und Straßenräubern gegeben. Es besteht kein Zweifel, daß es sich um eine Zusammenkunft handelte, bei der neue kriminelle Unternehmungen beschlossen werden sollten: Puglisi fand sich dort mit seinem privaten Revolver ein (seine Dienstwaffe wurde in der Schublade seines Amtsschreibtisches in Vigàta gefunden). Wäre dies eine Operation zur Unterdrückung zukünftiger Verbrechen gewesen, hätte er als erstes das Polizeipräsidium und zweitens die ihm untergebenen Männer verständigen müssen. Er aber versetzte niemanden in Alarmbereitschaft und begab sich allein dorthin – ein Zeichen dafür, daß er keine Zeugen wollte. Im Hause des Garzìa muß wohl eine Auseinandersetzung, wahrscheinlich wegen der Aufteilung der Beute, eine Abrechnung, wie es gewöhnlich heißt, stattgefunden haben. Garzìa und Puglisi griffen zu den Waffen und brachten sich gegenseitig um. Die sofort von dem neuen Kommissar in Vigàta, Catalanotti, eingeleiteten Ermittlungen haben diesen Hergang klar bestätigt.
    Es wurde außerdem völlig unangebrachterweise von dem Einschreiten einer Reiterkompanie unter dem Kommando des Hauptmanns Villaroel (der später seine Karriere als Oberst der königlichen Karabinieri abschloß) während der Vorgänge, die zum Brand des Theaters führten, gesprochen. Es ist wahr, ein Militärkommando war zum Schutz der anwesenden Würdenträger vor dem Theater aufgestellt, aber es handelte sich in erster Linie um eine Ehrenwache. Ungefähr in der Mitte des zweiten unangenehme Zusammenstöße zu vermeiden. Unerklärlich bleibt jedoch die panikartige Reaktion beim unerwarteten Kieksen (wie es im Jargon der Musiker heißt) der ansonsten hervorragenden Sängerin Maddalena Paolazzi. Ein falscher Ton ist bekanntlich ein bedauerlicher Unfall, der in jedem Theater und bei den besten Sängern vorkommen kann. Doch seit Menschengedenken hat ein solcher Fehler in keinem Theater der Welt jemals einen so rasenden Schrecken ausgelöst. Für dieses scheinbar irrationale Verhalten sind wir in geduldigen Untersuchungen und mit Hilfe hervorragender Erforscher der menschlichen Seele zu einer rationalen Erklärung gekommen, die wir später darlegen werden.
      Bleibt noch der Brand zu erwähnen. Fest steht, daß er mindestens zwei Stunden nach dem Abbruch der Aufführung ausgebrochen war, als die Leute schon eine ganze Weile zu ihren häuslichen Beschäftigungen zurückgekehrt waren. Wichtigste Frage ist somit die folgende: was war die Ursache der Feuersbrunst?
    Während das Theater ein Opfer der Flammen wurde, kam man allgemein zu der Überzeugung, daß das Unglück versehentlich durch einen glühenden
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