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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper
Autoren: Andrea Camilleri
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gekämpft habe ich, meine Angebetete, auf daß
    diese Oper in Vigàta zur Aufführung komme. Mit Gelassenheit und frischem Mut stand ich finstere Zeiten voll heftiger Auseinandersetzungen und übler Verleumdungen durch, um mein Ziel zu erreichen. Von diesen qualvollen Angelegenheiten hast Du nichts erfahren, meine anbetungswürdige Giagia, weil ich sie Dir ersparen wollte und schwieg. Nichts solltest Du zu ertragen haben, bis auf manchen Wandel in meiner Stimmung – und auf immer werde ich Dich dafür um Verzeihung bitten.
      Bevor ich Dir den geheimen Grund meines Eingreifens in eine Entscheidung, die einzig und allein der Leitung des neuen Theaters von Vigàta zugestanden hätte, erkläre, muß ich notgedrungen einen Schritt zurück machen.
    Wie sah mein Leben in Florenz im Jahr Achtzehnhundertsiebenundvierzig aus? Ich war ein junger Mann aus ehrbarer und angesehener Familie und seinerzeit als Rechtsanwalt tätig. Und doch nagte etwas Krankhaftes und Schwermütiges an meiner Seele. Auf kein Unternehmen wollte ich mich einlassen, da ich alles für vergeblich erachtete und als einzigen Sinn des Lebens den Tod sah. Nicht einmal den Vergnügungen ging ich nach, die der Jugend eignen. Ich schloß mich in ein hartnackiges Schweigen, in eine leidvolle Einsamkeit ein. Ich gehörte, Giagia, zu jenem riesigen Friedhof der Ertrunkenen, von denen der Aleardi in seinen Versen spricht. Aleardi, der wo zum ersten Mal in Florenz eben Der Bierbrauer von Preston aufgeführt wurde, von dem ich bislang noch nie etwas gehört hatte. Gewiß folgte ich ihm nicht gerade begeistert.
    Angebetete, mir war ganz und gar nicht danach zumute, ein niemals verspürtes Interesse vorzugeben, das bei den ersten Klängen jener Musik und beim Anblick der Figuren auf der Bühne sowieso gleich erstorben wäre. So beschloß ich, mich zum Ende des ersten Akts, nachdem ich mich gebührlich bei dem Freund Pepoli entschuldigt hatte, auf den Heimweg zu machen. Doch gerade als ich meinen müden Schritt durch die festliche Menge zum Ausgang lenkte, erblickte ich Dich, meine Angebetete. Du warst in Himmelblau gekleidet, und himmlisch sahst Du auch aus. Ja, Deine Füße schienen nicht einmal den Erdboden zu berühren. Sofort war ich zu Stein erstarrt. Es dauerte nur eine kurze Weile, und Dein Blick traf den meinigen. O mein Gott! Mein ganzes Leben war im Handumdrehn verändert! Es kehrte sich das Unterste zuoberst wie bei einem Erdbeben, dem keine zerstörerische Gewalt innewohnt. Und was mir zuvor grau und leblos erschien, ward jetzt in Licht getaucht und leuchtete in strahlenden Farben. Um es erneut mit Aleardi zu sagen, Amor breitete seinen wohltuenden Flügel über alles aus. Und Du weißt gut, Giagia, daß ich mich in jenem Augenblick auf immer an Dich band und das Leben mit neuer Kraft und frischem Mut anging …«
    Blicke, zuckende Mundwinkel. Er aber hatte sich mit seiner ganzen Person und seiner Ehre dafür eingesetzt, daß alles gutgehen würde. Sollten die Dinge jetzt schieflaufen, wie hätte er dem Präfekten je wieder unter die Augen treten können? Er ging die Hauptstraße von Vigàta auf und ab und warf denen böse Blicke zu, die nicht auf seiner Seite waren, grüßte überschwenglich andere, von denen er wußte, daß sie mit allem, was in erster Linie er und zweitens der Präfekt wollte, einverstanden waren.

    »… ich machte kehrt, nicht um die Oper bis zu Ende zu hören, sondern um meinen Augen nicht den unerhörten Schmerz zuzufügen, Deinen Anblick zu missen. Der gütige Himmel hatte es so eingerichtet, daß mein Platz im Parkett recht weit hinten war, so daß der zweite Rang, in dem Du mit Deiner lieben Familie saßest, fast auf meiner Höhe lag. Wohl weil Dein Nacken unter meinen Blicken glühte, kehrtest Du nach einer Weile langsam Dein stolzes Haupt … Deine Augen begegneten den meinigen … und mit einem Mal fühlte ich mich, nicht lachen, meine geliebte Giagia, wie eine Seifenblase, die leicht in der Luft schwebte, aus dem Theater flog, über den Platz hinweg und sich in die Höhe erhob, bis sie die ganze Stadt winzig unter sich sah …«

    Arelio Butera und Cocò Cannizzaro waren um vier Uhr in der Früh von Palermo aufgebrochen. Sie handelten mit Doppelflinte über der Schulter bewacht wurde.
      Sie hielten an, um zu lesen, was da geschrieben stand. Besser gesagt, Cocò las laut vor, da sein Freund Arelio mit dem Lesen und dem Schreiben nicht viel am Hut hatte.
      »Außerordentliche Bekanntmachung«, las Cannizzaro, »für
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