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Die siebte Maske

Die siebte Maske

Titel: Die siebte Maske
Autoren: Henry Slesar
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rannen über seine Wangen. »So etwas würde ich nie tun – einen Freund verraten.«
    »Fry, hören Sie mich an, bitte. Ich kann Ihnen jetzt nicht alles erklären, aber ein Mann kämpft vor Gericht um sein Leben. Er ist eines Verbrechens angeklagt, das er nicht begangen hat – das nie begangen wurde –«
    »Nein, nein!« stieß Fry hervor. Seine Brust hob und senkte sich. Blut zeigte sich an den Mundwinkeln. »Ich habe kein Verbrechen begangen, es waren Spenden, freiwillige Spenden für meine Musik …«
    Mike sah, wie Frys Blick sich trübte, und erkannte, daß der Pianist das Ringen mit dem Tod verlieren würde.
    »Bitte, Fry, hören Sie mich an. Ich spreche nicht von Ihnen. Ich spreche von Tony Jerrick, den man des Mordes an Walter Haven anklagt. Ich weiß, Haven war einer von Ihren ›Freunden‹.«
    »Nein«, wisperte Fry, und Mike war sich nicht sicher, worauf sich das Leugnen bezog.
    »War Haven rauschgiftsüchtig? Haben Sie ihn deshalb erpreßt?«
    »Musik«, lallte Fry, »Kraft und Schwung … Bach … Tschaikowsky … Habe das Klavierkonzert in der Hollywood Bowl gespielt … Hast du das gewußt, John?«
    Mike mußte gegen sein Mitleid mit dem Sterbenden ankämpfen, mußte sich zwingen, die Frage zu wiederholen.
    »Sie müssen es mir sagen. War Walter Haven süchtig? Hatte er Angst, man würde dahinterkommen, es könnte seine Chancen ruinieren, bei den Wahlen zu kandidieren? Hat Ihr Freund John ihm Rauschgift verkauft?«
    »Nein, nein«, stöhnte Fry. »Lassen Sie mich in Ruhe, bitte! Diese Frau, diese Frau! Die eitle, alberne Frau!« In seinen Zügen spiegelte sich Entsetzen, und er starrte Mike an. »Bitte! Sie müssen es John sagen! Sie müssen ihm sagen, daß ich ihm nicht böse bin, daß er heimkommen soll. Ja?« flüsterte er. Dann warf er einen letzten schwachen Blick auf den Flügel und schloß die Augen.
    Sacht bettete Mike Frys Kopf auf den Teppich und stand auf.
    »Ach so«, sagte er laut, als spreche er zu dem Toten. »Das also ist die Antwort. So mußte es ja sein. Die eitle, alberne Frau …«
    Im Korridor fand er ein Telefon. Als erstes rief er Bill Marceau in seiner Dienststelle an. Aber die Ermahnungen des Polizeichefs, am Tatort auszuharren, schlug er in den Wind. Statt dessen verließ er schleunigst das Backsteinhaus und hielt ein Taxi an.

12
    M ike, das ist nicht Ihr Ernst!«
    Adrienne hielt noch immer den Zierverschluß der Cognacflasche in der Hand. Das Licht der Schreibtischlampe in Walter Havens Arbeitszimmer brach sich an seinen geschliffenen Kanten und ließ ihn funkeln wie einen riesigen Brillanten.
    Mike schaute zur Tür hinüber. Sie war geschlossen, und es befand sich kein Personal im Haus, aber Mike sprach trotzdem leise weiter.
    »Ich habe die Wahrheit schon erraten, als ich von John Kessies eigentlichem Beruf erfuhr. Es gab Anzeichen, Symptome, Hinweise, die ich bemerkt, aber als unwichtig beiseite geschoben hatte. Doch beim Stichwort ›Rausch- gift‹ kamen mir all diese Symptome wieder in den Sinn.«
    »Aber Sie haben falsch geraten«, sagte die Frau barsch. Sie stieß den Zierverschluß in die Flasche, Glas rieb sich an Glas. »Es ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Um Himmels willen, Mike – sehen Sie mich doch an! Sehe ich aus wie – wie eines von diesen Geschöpfen?«
    »Ich war überzeugt, es sei Walter«, erklärte Mike, »der das Zeug heimlich nahm. Oder daß er vielleicht von dem Laster geheilt war und Angst hatte, seine Vergangenheit könnte ruchbar werden, ein politischer Gegner könnte davon erfahren. Aber es war nicht Walter, Adrienne.«
    »Das können Sie nicht mit Sicherheit behaupten! Walter ist tot und begraben –«
    »Auf einmal sind mir Ihre plötzlichen Schwächeanfälle
    wieder eingefallen, Ihre Abhängigkeit von Aufmunterungspillen, die jähen Fieberattacken, die langärmeligen Kleider, die Sie immer tragen –«
    »Das wird ja immer kurioser«, kommentierte sie sarkastisch. »Mike, ich habe nie behauptet, ich sei gesund. Und ich mag nun mal Kleider mit langen Ärmeln.«
    »Adrienne, können Sie mir glaubwürdig versichern, daß Ihr Körper keine Einstichspuren von Injektionsspritzen aufweist?«
    »Sie sind unverschämt! Wirklich! Übrigens finden sich sehr wohl Einstichspuren. Aber daran ist nichts Illegales. Fragen Sie meinen Vater! Ich brauche Vitaminspritzen. Ununterbrochen Vitamin B und Eisen und all die Sachen …« Sie lachte nervös auf. »Es mag sein, daß ich herumlaufe wie ein lebendes Nadelkissen, aber das bedeutet noch lange
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