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Die siebte Maske

Die siebte Maske

Titel: Die siebte Maske
Autoren: Henry Slesar
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die Maske hin. »Sie gehört Ihnen, Sir. Bitte, bringen Sie sie jedesmal mit.«
    »Legen Sie sie an«, sagte Fry nervös. »Legen Sie sie an, und gehen Sie hinein, Mr. Capice. Ich muß mich für den Auftritt fertigmachen. Heute abend ist das ›Brandenburgische‹ an der Reihe, und das erfordert höchste Konzentration …«
    »Sie haben noch immer nicht meine Frage beantwortet.«
    Sawyers Pranke umschloß Mikes Ellenbogen.
    »Sie haben Mr. Fry gehört«, sagte der Butler. »Kommen Sie, Mr. Capice.«
    Mike zuckte die Achseln, legte die Maske an und folgte Sawyer in den Vortragsraum.
    Drei Personen waren bereits anwesend, dunkelgekleidete Gestalten mit schwarzen Masken.
    Mike nahm Platz und wartete auf das Erscheinen der restlichen ›Freunde‹.
    Zwanzig Minuten später, nachdem das maskierte Publikum auf sieben angewachsen war, trat Joachim Fry durch den Vorhang, der ihn von seinem Flügel und seinen ›Mäzenen‹ trennte. Fry begrüßte die Anwesenden mit einer anmutigen Verbeugung und trug ein Lächeln von so engelhafter Unschuld zur Schau, daß Mike an der Geistesgestörtheit des Mannes nicht länger zweifelte.
    »Meine Herren«, sagte er, »es ist mir eine Ehre, den heutigen Abend mit Johann Sebastian Bachs Erstem Brandenburgischen Konzert zu eröffnen. Die Klavierbearbeitung stammt von meiner Wenigkeit.«
    Die einzige Antwort bestand aus vielstimmigem Murren und Stöhnen. Ungerührt machte Fry es sich auf der Klavierbank bequem, entspannte seine Finger in der Luft und begann zu spielen.
    Mike war kein Kenner, aber es leuchtete ihm ein, daß Phils Beschreibung zutreffend gewesen war: Fry beherrschte das Instrument, und auch wenn seine kleinen Finger manchmal abglitten, so störte das doch nicht den Gesamteindruck. Eine Zeitlang, als Fry das pulsierende Allegro spielte, ertappte Mike sich dabei, daß er aufmerksam zuhörte. Aber als der langsame Satz begann, fiel ihm der Zweck des Konzerts wieder ein – und der Entschluß, den er beim Betreten des Backsteingebäudes gefaßt hatte.
    Er betrachtete die unruhigen maskierten Gestalten im Raum und musterte den Eingang. Vom Butler war nichts zu sehen.
    Langsam, fast in Übereinstimmung mit dem getragenen
    Rhythmus der Musik, betastete Mike den kleinen Revolver in seiner Tasche und erhob sich.
    »Besten Dank, Mr. Fry, das genügt.«
    Frys Hände erstarrten auf den Tasten. Die Konzentration, von der er gesprochen hatte, war deutlich spürbar; Schweißtropfen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Er wandte sich den Zuhörern zu.
    »Was fällt Ihnen ein?« fragte er flüsternd. »Wie können Sie es wagen, Bach zu unterbrechen?«
    »Tut mir leid«, sagte Mike geradeheraus. »Die Musik ist ja nicht übel, Mr. Fry, aber ich glaube, niemand genießt sie so recht.«
    »Stimmt genau«, murmelte jemand.
    »In Wirklichkeit«, fuhr Mike fort, »fühlt sich nämlich niemand hier wohl, Mr. Fry, bei keinem Ihrer Konzerte; daran sollten Sie sich endlich gewöhnen.«
    »Setzen Sie sich«, sagte Fry mit zusammengebissenen Zähnen. »Setzen Sie sich, oder ich –«
    »Oder was?« fragte Mike. »Oder Sie machen Ihre Drohung wahr?«
    Fry stand zitternd auf und war so verwirrt, daß er mit seinen Fingern aus Versehen die Tasten berührte.
    »Sie wissen nicht, was Sie tun! Ich habe Ihnen doch gesagt –«
    »Ich weiß, was Sie mir gesagt haben! Wenn ich das Spielchen nicht brav mitmache wie Ihre übrigen ›Mäzene‹, bereiten Sie meiner Frau die Hölle auf Erden. Nun, von mir aus können Sie tun, was Sie wollen, Mr. Fry.«
    Mike nahm seine Maske ab.
    Das war an sich eine ganz einfache Sache. Aber in diesem Raum wirkte die Geste dermaßen dramatisch, daß alle Anwesenden hörbar die Luft einzogen.
    »Bitte, meine Herren«, wandte er sich an sie. »Sehen Sie mich gut an. Ich verstecke mich nicht hinter einer Maske, und Sie sollten es auch nicht tun. Ich pfeife darauf, womit dieser Spinner Sie in der Hand hat, jedenfalls sollten Sie nicht vor ihm in die Knie gehen –«
    »Sawyer!« kreischte Joachim Fry.
    Mike blickte zum Eingang. Er hatte insgeheim gehofft, Sawyer alias Kessie möge seinen Dienst für diesen Abend beendet haben, doch der Butler war zur Stelle. Er füllte den Türrahmen aus, sah größer und kräftiger aus als je zuvor. Knurrend betrat er den Raum, aber Mike sorgte dafür, daß er nicht weit kam. Er zog den Revolver.
    »Stehenbleiben«, befahl er.
    »Ein Bulle!« schrie Fry. »Sawyer, Sie Idiot, Sie haben einen Bullen hereingelassen –«
    »Nein«, sagte Mike, »ich bin
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