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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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Das Mädchen kauerte sich nieder und nahm eine Zigarette heraus. Nach einer Verlegenheitspause hob Cussick die Hand mit dem Feuerzeug und gab ihr Feuer. Sie lächelte auf ihn herab; sie war eine kleine und sehr junge Frau, hatte braunes Haar und braune Augen, schlanke Beine und war blaß und leicht schweißfeucht.
    »Sehen Sie sich die Schau an?« fragte sie.
    Er hatte es nicht vorgehabt.
    »Nein«, erwiderte er.
    Das Mädchen schmollte.
     »Nein? Warum nicht?« Die Leute in der Nähe sahen amüsiert zu. »Sind Sie nicht interessiert? Gehören Sie zu denen?«
     Die Leute um Cussick grinsten und kicherten. Er war peinlich berührt.
    »Sie sind nett«, sagte das Mädchen träge. Es ließ sich nieder, die Zigarette zwischen den roten Lippen, die Arme auf den nackten Knien. »Haben Sie keine fünfzig Dollar? Können Sie es sich nicht leisten?«
     »Nein«, antwortete Cussick gereizt. »Kann es mit nicht leisten.«
     »Ach wo.« Neckend, Enttäuschung vorspiegelnd, streckte sie die Hand aus und fuhr ihm durch das sorgfältig gekämmte Haar. »Das ist aber sehr schade. Vielleicht nehm’ ich Sie umsonst dran. Möchten Sie das? Wollen Sie umsonst zu mir kommen?« Sie blinzelte ihm zu und ließ die rosa Zungenspitze sehen. »Ich kann Ihnen viel zeigen. Sie würden sich wundern, was ich alles kann.«
     »Laßt den Hut herumgehen«, meinte ein schwitzender, kahlköpfiger Mann. »Hört mal, wir sammeln für den jungen Mann.« Gelächter erhob sich, und ein paar Fünf-Dollar-Münzen wurden nach vorn geworfen.
     »Mögen Sie mich nicht?« fragte ihn das Mädchen, beugte sich zu ihm hinunter und legte die Hand an seinen Hals. »Glauben Sie, es geht nicht?« Lockend und aufreizend flüsterte ihre Stimme: »Es geht bestimmt. Die Leute hier glauben das auch. Sie werden zugucken. Keine Sorge – ich bringe es ihnen schon bei.« Plötzlich packte sie sein Ohr. »Kommen Sie rauf, Mama zeigt euch allen, was sie kann.«
     Die Menge brüllte begeistert auf, und Cussick wurde nach vorn gestoßen und hinaufgehoben. Das Mädchen ließ sein Ohr los und griff mit beiden Händen nach ihm; in diesem Augenblick machte er sich los und sprang wieder ins Publikum hinunter. Nachdem er sich hindurchgeboxt hatte, blieb er keuchend am Rand der Menge stehen, versuchte, wieder zu Atem zu kommen, seine Kleidung zu ordnen und seine Fassung wiederzugewinnen.
    Niemand beachtete ihn, und er ging ziellos weiter, die Hände in den Taschen, so unbekümmert wie möglich. Überall drängten sich Menschen, die meisten in Richtung der Hauptdarbietungen. Er wich dem Strom aus; die beste Aussicht für ihn bestand an den offenen Plätzen am Rand, wo man Broschüren verteilen und Reden halten konnte, wo sich klein Ansammlungen um einen einzelnen Redner bildeten. Er fragte sich, ob der hagere Veteran ein Fanatiker gewesen war; vielleicht hatte er Cussick als Polizisten erkannt.
     Die Girl-Schau hatte ein wenig Anteil an beiden Bereichen, an Kuriosität und Talent, gebildet. Hinter der Bühne mit den Mädchen stand die Bude der ersten Wahrsagerin.
     »Das sind Scharlatane«, erklärte ihm der dicke, langhaarige Mann; er stand mit seiner Familie an einer Pfeilwurfbude und versuchte, einen zwanzigpfündigen Schinken zu gewinnen. »Keiner kann die Zukunft lesen; das ist was für Dummköpfe.«
    Cussick grinste.
     »Wie ein zwanzigpfündiger Schinken. Wahrscheinlich besteht er aus Wachs.«
     »Ich gewinne ihn«, versicherte der dicke Mann gutmütig. Seine Frau sagte nichts, aber seine Kinder zeigten grenzenlose Zuversicht in die Tüchtigkeit ihres Vaters. »Den nehme ich heute abend mit nach Hause.«
    »Vielleicht lasse ich mir meine Zukunft deuten«, sagte Cussick.
     »Viel Glück, Mister«, sagte der dicke Mann freundlich. Er wandte sich wieder der Wurfscheibe zu: eine große Platte mit den neun Planeten und zahllosen Fehlwurfspuren. Der Mittelpunkt, eine unglaubliche winzige Erde, war unberührt. Der dicke Mann holte aus und warf; der Pfeil, der von einem verborgenen Magneten abgelenkt wurde, verfehlte die Erde und grub sich mit seiner Stahlspitze in den leeren Weltraum, knapp neben Ganymed.
    In der ersten Wahrsagerbude saß eine alte, schwarzhaarige und fette Frau zusammengekauert vor einem niedrigen Tisch, auf dem ein zeitloses Gerät aufgestellt war. Ein durchscheinender Globus. Ein paar Leute standen hintereinander auf der Bühne, drängten sich zwischen den schäbigen Kulissen, um ihre zwanzig Dollar zu bezahlen. Eine grelle Neonschrift verkündete:
    Sie
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