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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
Autoren: Ursula Niehaus
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wachsen. Fygen spürte ein Kribbeln im Magen, das sich bis in die Finger und die Zehenspitzen ausbreitete. Es war das Kitzeln der Herausforderung. Ein klein wenig, ein ganz klein wenig reizte sie diese Aufgabe, das musste Fygen sich eingestehen. Es würde neues Leben in die Wolkenburg einziehen. Wenn sie Peters Kontor zu dem ihren machen würde und ihr Kontor zu einer Schreibstube für einen Schreiber und vielleicht einen Assistenten? Zum Prüfen und Zwischenlagern der Waren würde der Platz in der ehemaligen Weberei ausreichen. Und wenn es mehr wurde, nun, dafür gab es Lagerhäuser in der Stadt. Überrascht ertappte Fygen sich dabei, wie sie bereits anfing, zu planen und in Gedanken ihre künftige Faktorei zu organisieren. Sie musste über sich selber lachen, und Hinderofen schaut sie verwundert, ja ein wenig belustigt an.
    »Ich denke nicht, dass ich ein Esel sein möchte«, sagte Fygen mit klarer Stimme und schenkte Hinderofen ein offenes Lächeln. Mit festem Griff erfasste sie die Hand, die er ihr reichte.

    Katryn wartete in der Küche auf Fygen. Während Maren ihr einen Becher gewürzten Weines brachte, befürchtete Katryn fast, Fygen wäre, nachdem sie den Besucher verabschiedet hatte, direkt in ihr Zimmer zurückgekehrt, um ihr stilles Brüten wiederaufzunehmen. Umso erstaunter war sie, als die Küchentür mit einem Ruck aufgestoßen wurde und die Freundin eintrat. Aufrecht, mit gestrafften Schultern, die Stimme voller Energie, die sie in den letzen Wochen hatte vermissen lassen, wies Fygen die Magd an: »Maren, sag Eckert, er soll gleich in mein Kontor kommen. Ich möchte, dass er mir einen guten jungen Kaufmannsknecht besorgt.«
    Es war die alte Fygen, die da sprach, stellte Katryn mit einem Lächeln fest. Was immer der Besucher Fygen mitgeteilt hatte, er schien die richtigen Worte gefunden zu haben, um die Freundin aus ihrer Teilnahmslosigkeit zu befreien. Wie gründlich er das vermocht hatte, erkannte die Seidmacherin jedoch erst, als Fygen sich nun an sie wandte: »Gut, dass du noch da bist, Katryn. Ich möchte eine Lieferung Seidenstoffe für Antwerpen zusammenstellen, und eure Seide hat nun einmal die beste Qualität in der ganzen Stadt. Kann Tim vielleicht morgen im Laufe des Tages zu mir herüberkommen, damit wir das Nötige besprechen?«

Ein Wort zum Schluss
    E s ist als Besonderheit anzusehen, dass im Köln des ausgehenden Mittelalters die Frauen besondere Rechte und Freiheiten genossen, die ihnen anderen Ortes meist verwehrt waren, vor allem das Recht, ein Handwerk oder Gewerbe selbständig zu betreiben und auf eigene Rechnung zu handeln. Politische Rechte besaßen sie dennoch auch in Köln nicht.
    Das gesamte Seidengewerbe der Stadt wurde fast ausschließlich von Frauen betrieben, und Kölner Seide, gleichgültig ob Stoff oder Garn, war ein Markenzeichen von hohem Wert auf den europäischen Märkten der Zeit.
    Eine der erfolgreichsten Seidenweberinnen Kölns war Fygen Lützenkirchen. Ihre Herkunft liegt ein wenig im Dunkel, sie war wohl eine geborene von Bellinghoven. Als Lehrtochter war Fygen in Köln nicht verzeichnet. Wir wissen also nicht, bei wem sie in die Lehre gegangen ist. Sicher nicht zusammen mit Tryngen (im Buch Katryn genannt) Ime Hofe, die ihre Lehrzeit viele Jahre früher absolviert hatte, bereits 1450 oder 1454/55 entweder bei Mettel Elner oder bei Mettel Kranen. Mettel Elner wurde 1443 als Hauptfrau eingetragen, führte ihren Betrieb nur bis 1456 und bildete dabei zehn Lehrtöchter und auch eigene Töchter aus.
    Tryngen Ime Hofe wurde 1462 zusammen mit ihrem Mann Mertyn Ime Hove zum Seidamt zugelassen. Sie scheint die erfolgreichste Kölner Seidmacherin des fünfzehnten Jahrhunderts gewesen zu sein und hat insgesamt neununddreißig Lehrtöchter ausgebildet. Mertyn stammte aus Süchteln, hatte jahrelang als Kaufmannsknecht gedient und war seit 1453 Kölner Bürger.
    Fygen wurde bereits 1477 zum ersten Mal in den Vorstand des Seidamtes berufen, nicht erst 1482, obwohl sie in dem Jahr in der Tat im Vorstand saß. Die Jahre, in denen sie, ihr Mann Peter Lützenkirchen, Tryngen und Mertyn Ime Hofe im Seidamt saßen, wurden ab und an verändert, damit es besser in den Fluss der Erzählung passte. Tatsächlich aber stand das Ehepaar Lützenkirchen zwischen 1475 und 1493 abwechselnd und mit Unterbrechungen dem Seidamt vor, das Ehepaar Ime Hofe sogar noch länger, zwischen 1473 und 1493.
    Peter Lützenkirchen war ein bedeutender Kölner Kaufmann. Er handelte mit Seide und anderen
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