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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos
Autoren: Suzanne Frank
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überlegte, ob das Schwimmen nicht vielleicht seine Vorzüge hätte, kenterte das Floß.
    Sie kam um Luft ringend hoch. Die Strömung zerrte an ihr, zog sie vorwärts und riss sie wieder zurück. Sie erblickte eine
    Insel und schwamm gegen die Strömung darauf zu.
    Dann dämmerte es ihr ... Strömung ... Wellen ... Küste ... Puh!
    Sie brauchte gar nicht zu schwimmen, die Strömung würde sie hinbringen.
    Chloe versuchte, sich treiben zu lassen, doch dafür waren die Wellen zu kräftig. Sie ließ sich hin und her werfen, bis sie schließlich gegen felsigen Untergrund geschleudert wurde. Die scharfkantigen Kiesel am Strand waren kaum angenehmer als der Bimsstein. Einen Moment lang gab sie sich der Erleichterung hin, festen Boden unter ihren Füßen zu spüren, dann wurde sie von der nächsten Welle ins Meer zurückgerissen. Mühsam kam sie wieder auf die Beine und suchte sich einen Weg über den eigenartigen Strand bis in den fast ans Wasser reichenden Wald. Auf wackligen Füßen stehend, schaute sie sich um. Pflanzen, heranrollendes Wasser, ein über den Kiesstrand stolpernder, näher kommender Cheftu.
    Sie kämpfte sich durch den Wald bis zur Mitte der kleinen Insel vor.
    »Mon Dieu!«, rief Cheftu. »Von all den Inseln rings um Aztlan haben wir die Richtige gefunden!« Er lief auf sie zu, packte sie an den Händen. »Chloe, mon amour, welches Glück wir haben!«
    Chloe blickte nach oben. Hoch über ihnen spannte sich über fünfzehn Ellen hinweg ein roter Sandsteinbogen ohne Mittelstütze. Unter dem Bogen befand sich ein Mosaik aus Steinen und Muscheln. Auf ihrer Haut bildeten sich Gänsehautpickel groß wie Volkswagen.
    Sie hatten den Durchgang gefunden.
    »Was hatte es zu bedeuten, dass wir in diese Zeit verschlagen wurden?«, flüsterte sie.
    Cheftus Blick glitt über den Mosaikboden, am Brunnen vorbei, aufs Meer hinaus. »Das Meer ist so nahe.« Er schluckte hörbar. »Die Insel versinkt. Siehst du die Bäume?« Sie standen ellentief im Wasser. Die Wellen schlugen an den Rand des Mosaiks, nicht weit von ihrem Standort entfernt. Eben verschwand eine Hügelspitze unter den Wellen. »Wie viel Zeit bleibt uns noch, ehe wir ganz eintauchen?«, fragte sie.
    Er sah zum Himmel auf, als versuche er, etwas durch den Aschedunst zu erkennen, der die Sonne verschleierte und sie in Dämmerlicht hüllte. Als Chloe auf den mit Steinen bedeckten Boden blickte, vergaß sie alles andere. Ein Mosaik.
    Es war keine minoische Arbeit - dazu war es zu simpel. Der Entwurf war weniger ausgefeilt. Es schien sich um eine Art Karte zu handeln. Chloe schaute genauer hin. Zwei Fische dicht nebeneinander. Ein Widder, ein Stier, menschliche Zwillinge. Sie kramte in ihren kunsthistorischen Erinnerungen. Das Bild war ihr vertraut, doch es war keine Abbildung, die man ihr im Unterricht gezeigt hatte. Sie hatte diese Darstellung mit eigenen Augen gesehen, nicht auf einem Dia.
    Sie hielt inne und zählte die Symbole. Zwölf. »Heilige Scheiße«, zischte sie. Sie hatte schon lange keine Zeitung mehr gelesen, doch diese Dinger hier sahen aus wie Sternzeichen.
    »Was ist denn, Geliebte?«, fragte Cheftu.
    »Ich habe dieses Mosaik schon mal gesehen.«
    Vor Aufregung begann sie, lauter zu krächzen. »In Israel. Doch dieses hier muss ein paar tausend Jahre älter sein als die israelische Version. Wieso sollte sich auf dieser Insel ein hebräisches Kunstwerk befinden?«
    Die Stimme, die sie schon mehrmals gehört hatte, flüsterte in ihrem Herzen: Hab Vertrauen. Im diesigen Licht fiel der Schatten des Querbalkens über Cheftu.
    Der Alkoven in Ägypten, die Höhle in Kaphtor und nun diese versinkende Insel. Chloe fragte sich, ob um Mitternacht der Mondschatten zur Ziege weiterwandern würde - dem Steinbock -, dem Zeichen ihrer Geburt am dreiundzwanzigsten Dezember. Sie schauderte. Wenn sie hier waren, nachdem Aztlan untergegangen war, würde Gott sie dann retten? War ein gan-zes Jahr vergangen? Würde sich die Tür heute Nacht öffnen?
    Würden sie durch das Tor in der Zeit treten?
    Chloe und Cheftu saßen dicht beieinander, den Blick fest auf den Bogen geheftet, so als fürchteten sie, er könnte verschwinden, wenn sie ihm den Rücken zudrehten. Wenn sie nur den Himmel sehen könnten, würden sie erkennen, wie sich die Himmelskörper entsprechend anordneten, davon war Chloe überzeugt.
    Zum Abendessen hatte es Trauben und Oregano gegeben. Nicht gerade Feinschmeckerkost, aber immer noch besser als Sand, die einzige Alternative. Cheftu hatte sie zu der
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