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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos
Autoren: Suzanne Frank
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opferte seinen Schurz, den sie zu Atemmasken zerrissen, sodass er nur noch die Schärpe mit den Steinen trug. Er ließ sich ins Wasser fallen und schob sie hinaus aufs Meer, schwimmend und strampelnd, während Chloe ihn durch den dunstigen Tag des Feuers lenkte. Oder durch die Nacht. Wer wollte das schon sagen.
    Chloe spürte ihre Arme nicht mehr und war nicht in der Lage zu sagen, ob sie die Augen offen hatte, denn das Bild änderte sich nie. Sie bewegte sich wie ein Roboter - eintauchen, ziehen, eintauchen, ziehen - gegen den Sog des Wassers und der Strömung und in der Hoffnung, dass sie das Floß wenigstens stückchenweise durch das graue Meer vorantrieb. Gelegentlich wechselte sie von einer Seite des Floßes auf die andere, ohne innezuhalten. Vermutlich fuhren sie nicht mehr in Richtung Prostatevo - Akrotiri. Wohin fuhren sie dann? Es kostete zu viel Kraft, das zu fragen. Ihr Magen krampfte sich vor Hunger zusammen und in ihren Handflächen brannten Salz und Luft.
    Sie schuftete in einem zeitlosen, grauen Nebel. Als sie über das Floß kroch, um auf der anderen Seite weiterzupaddeln, nahm sie Cheftus Gesicht nur noch als hellen Fleck wahr. Er küsste sie auf die Stirn und strich die Strähnen zurück, die immer noch ihr Gesicht umrahmten. Ihr Scheitel hingegen war kahl und blasig, Wimpern und Brauen hatte die Hitze abgesengt. Er legte einen Finger auf ihre Lippen und ihre Nase.
    Böen heißer Luft huschten an ihnen vorbei.
    »Ist der Ausbruch immer noch nicht vorüber?«, fragte Chloe.
    »Nein. Wir müssen hier raus, raus aus dieser Zeit.« Er wandte sich ab und fing wieder an zu paddeln. »Wenn ich nur wüsste, wo Nikos Insel liegt«, murmelte er.
    »Nikos Insel?«, fragte Chloe in den Wind.
    »Die Insel der Steine«, war das Letzte, was sie hörte, ehe ihre Schmerzen und die Erschöpfung sie in die Dunkelheit zogen.
    Cheftu sah zu ihr hinüber und merkte, dass sie in Ohnmacht gefallen war. Sie blutete aus Dutzenden von Wunden, trotzdem hatte sie mit übermenschlicher Kraft geschuftet, um sie von hier wegzubringen. Seine Kriegerin, dachte er lächelnd. Sein eigener Körper war nicht nur unversehrt, er schien auch gegen jede Erschöpfung immun zu sein. Das Elixier hatte gewirkt.
    Dion behauptete, er hätte das Elixier ebenfalls genommen, doch die Seuche hatte ihn nicht befallen, oder? Verlieh das Elixier nun Unsterblichkeit? Oder lediglich Langlebigkeit? Nicht, dass das im Moment einen Unterschied gemacht hätte. Sie mussten die Insel finden. Cheftu prüfte kurz, ob die Steine noch sicher in der Schärpe lagen. Was für eine Ironie! Die Urim und Thummim der Hebräer waren von den Griechen verwendet worden, auf deren Lebensweise sie stets herabsehen würden. Wieso hatte er die Steine jetzt? Wohin sollte er sie bringen? Wohin würden sie reisen?
    Hatten er und Chloe wirklich ein ganzes Jahr in dieser Zeit verbracht?
    Die Sorgen erdrückten ihn. Er zog Chloe zu sich her und drückte sie an seine Brust. Sie wimmerte, als der kantige Bimsstein über ihre Haut schürfte, doch sie wachte nicht auf.
    Iii, meine Geliebte, was wird aus uns?
    Er strich mit den Lippen über ihre Brauen und umarmte sie, den Blick in die graue Zukunft gerichtet.
    Ich brauche ein Laken mit höherer Fadenzahl, dachte Chloe. Das hier fühlt sich an wie Sandpapier.
    Dann wurde sie von Wasser durchtränkt und sie schoss hoch, nur um erneut übergossen zu werden. Das schüttere Haar über die Schulter schüttelnd, versuchte Chloe, sich zu orientieren. Cheftu paddelte wie wild gegen das aufgepeitschte Wasser an.
    Vorsichtig kroch sie über das Floß, hielt sich dabei an den scharfkantigen Steinen fest, um den Wellen zu widerstehen. Wo waren sie? Aus dem Grau schienen Schatten in tieferem, festerem Grau aufzusteigen.
    Die nächste Welle hätte Chloe um ein Haar über Bord gespült. Cheftu hielt sie am Handgelenk fest, trotzdem quietschte sie auf, als ihr Bauch und ihre Brüste über den Bimsstein geschleift wurden.
    Sie half ihm, gegen das raue Wasser anzukämpfen. Wenn ich nur Wellenreiten könnte, dachte sie, als die nächste Welle über ihr zusammenschlug.
    Nach wie vor fiel erstickend dichte Asche.
    Wir brauchen hier keine Schurken, dafür haben wir Mutter Natur.
    Cheftu drückte ihre Hand und deutete dann zur Seite. Auf einen der dunkleren grauen Flecke. Land? Sie paddelten noch fester und versuchten dabei, auf den Wellen zu reiten. Die mächtigen, hohen Brecher schlugen das winzige Floß dauernd auf die tosende Wasseroberfläche. Gerade als sie
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