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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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einem
Hinweis auf den schwindenden Bordeauxvorrat im Keller.
    »Für heut reicht’s noch«, sagte Schwemmer leichthin,
aber sie hatte recht. Strategische Entscheidungen standen an.
    »Ich freu mich auf dich«, sagte Burgl noch, bevor sie
auflegte, und brachte so das erste echte Lächeln dieses Tages auf sein Gesicht.
    Dieses überstand noch einige Überlegungen zur
notwendigen Aufstockung ihrer Weinreserven, erlosch aber bald, als seine
Gedanken zu Spacko, dem sichergestellten Haar und zu Frau Kindel zurückkehrten.
    Sein Ausflug mit der Seherin dürfte in der Wache
mittlerweile allen bekannt sein. Und dass er seine Reputation damit befördert
hatte, bezweifelte er stark. Er war in eine unangenehme Situation geraten, ohne
einen Fehler gemacht zu haben. Um seinen Ärger darüber zu unterdrücken,
benötigte er den Rest der Fahrt. Bevor die Kindel ihm nicht bewies, dass dieser
Spacko überhaupt verschwunden war, würde er nichts unternehmen. Er würde nicht
einmal Dräger das Haar geben. Totschweigen würde er die Sache.
    Als er den Wagen auf dem Parkplatz der Wache
abstellte, hatte er seine Laune wieder einigermaßen eingepegelt. Sie erhielt
aber sofort den nächsten Schlag, als er beim Aussteigen die dichte grauweiße
Staubschicht auf der dunkelblauen Metalliclackierung sah, die einen
außerplanmäßigen Waschstraßenbesuch unabdingbar machte.
    Auch deshalb betrat er sein Büro direkt vom Flur aus,
weil er das unbestimmte Gefühl hatte, seine fragile Stimmung in Frau Fuchsens
Vorzimmer weiteren Beeinträchtigungen auszusetzen.
    Er griff zum Telefon und rief in Schafmanns Büro an.
Erst nachdem er den Kollegen herbeizitiert hatte, warf er sich in seinen Stuhl
und verbrachte die Zeit damit, sich die Sehnsucht nach einer Zigarette
auszureden.
    »Und?«, fragte Schafmann, sobald er die Tür hinter
sich geschlossen hatte.
    »Nix«, antwortete Schwemmer.
    »Nix?« Schwemmer meinte in Schafmanns Blick eine Prise
Spott zu entdecken, war sich aber nicht sicher.
    »Nix Verwertbares. Und ich möchte, dass du das
ventilierst unter den Kollegen. Wir tun nichts, was mit irgendeiner Seherin zu
tun hat.«
    Schafmann nickte ernst; er zog einen Stuhl zu sich
heran und setzte sich. »Ich versteh schon«, sagte er. »Aber irgendwas hatte die
doch. Sonst wärst du doch nicht mit ihr weggefahren.«
    »Sie glaubt, sie hat was. Ich sage, sie hat nichts.
Basta.«
    Schafmann sah ihn verwundert an. »Basta? Das hör ich
dich aber selten sagen.«
    Schwemmer zuckte die Achseln. »Es gibt keinen Fall.
Das wollte ich sagen.«
    »Wo warst du denn mit ihr?«
    »Ja, sag amal …« Beinah hätte Schwemmer mit der
flachen Hand auf den Tisch gehauen.
    »Vielleicht solltest du es doch erzählen. Gibt
sonst Gerüchte«, sagte Schafmann und begleitete den Satz mit einer begütigenden
Handbewegung.
    »Nein«, sagte Schwemmer nur. Schafmann lag falsch.
Wenn er erzählte, wo er mit der Kindel gewesen war, kam zwingend als
Nächstes die Frage nach dem Warum . Und dann kamen die Gerüchte.
    »Es heißt, ihr wärt die Feldernkopfstraße
hochgefahren«, sagte Schafmann.
    Schwemmer sah ihn ungläubig an. »Woher kommt das
denn?«
    Schafmann rückte seinen Stuhl näher an Schwemmers
Schreibtisch heran. Er beugte sich vor, sprach leise und ruhig. »Das ist das
aktuelle Gerücht. Ich weiß nicht, wer das gestreut hat. Aber ich wette, die
Nachricht, dass du mit der Seherin unterwegs bist, hat anderthalb Sekunden nach
dir das Gebäude verlassen. Und zwar x-fach. Wir kennen doch unser Füchschen.
Das halbe Werdenfelser Land wird nach euch Ausschau gehalten haben.«
    Schwemmer brummte etwas Unverständliches. »Gerüchte
sind Gerüchte«, sagte er dann. »Offiziell ist: Es gibt nix.«
    »Wie du meinst«, sagte Schafmann.
    »Hast du was zu deinen Satanisten?«, fragte Schwemmer.
    »Herr Gärtner, der Zeuge, hat den Kollegen gezeigt, wo
der Proberaum dieser Band ist …« Er stand auf, trat an die Karte des
Landkreises, die die halbe Wand einnahm, und tippte auf eine Stelle in der Nähe
des Zugspitzbahndepots. »Die Frage ist, wann man da einen antrifft. Da steht
natürlich kein Name dran, und die Nachbarn kennen die Musiker auch nicht. Junge
Männer, um die zwanzig und jünger. Die Herrschaften sollen ziemlich abweisend
sein. Man ist dort nicht glücklich über die, aber es gab bisher keinen Grund
zur Beschwerde. Das Gebäude gehört einem Herrn Schieb aus Hammersbach. Haben
wir bisher nicht erreicht.«
    »Schieb«, murmelte Schwemmer. »War da nicht mal
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