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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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einem kleinen Haufen
getürmt, ein paar Schritt entfernt von der Stelle, an der sie die Haare
gefunden hatte.
    Sie führte ihn hin und wies auf den roten Fleck auf
dem Boden. Er war nicht besonders groß, halb so groß wie ihr Handteller etwa,
und da klebten immer noch zwei dünne, vielleicht zehn Zentimeter lange rötliche
Haare, die sich in eine Klette gewickelt hatten.
    »Da hat’s drinklebt, in dem Bluat. So wie die zwoa do
a.«
    Schwemmer ging in die Knie und besah sich den Fleck.
Dann öffnete er die Mappe. Sie enthielt eine Reihe kleiner Werkzeuge, daneben
eine Packung mit Einweghandschuhen und etliche verschließbare Plastiktüten.
Schwemmer zog sich einen Handschuh über, zog mit einer Pinzette die Haare aus
dem Fleck und verstaute sie samt der Klette in einer der Tüten. Er nahm einen
Spatel aus der Mappe und beförderte eine Probe der dunkelroten Masse in eine
zweite Tüte. Dann verschloss er beide, richtete sich auf und sah sich um.
    Schwemmers Miene war missmutig, als wäre ihm lieber
gewesen, hier nichts zu finden. Und Johanna war sich sicher, dass es genauso
war.
    »Zeigen Sie mir mal, was sich Ihrer Meinung nach hier
abgespielt hat«, sagte er.
    Sie zeigte ihm den Baum, hinter dem der Mann gewartet
hatte, den Punkt, an dem der Rucksack gestanden hatte, und wo Spacko war, als
der Mann auf ihn geschossen hatte.
    Schwemmer sagte nichts, aber er sah abschätzend von
dort aus zu dem Fleck mit den Haaren, der sich fast zehn Meter entfernt befand.
Sie sah ihm an, was er dachte.
    Denn sie hatte das Gleiche gedacht, als sie den Fleck
gefunden hatte. Wie sollten die Haare und das Blut dorthin gekommen sein?
    Schwemmers Blick verlängerte die Linie von dem Punkt,
an dem sie standen, über den Fleck hinaus und ging in dieser Richtung zum
Waldrand. Sie folgte ihm. Dort war dichtes Gehölz, das er sich ansah, so wie
sie es eben schon getan hatte. Es gab dort keine Spur, dass hier etwas
hineingetragen oder -geworfen worden wäre.
    Sie zeigte ihm noch die Mulde, in der der Junge
gehockt hatte. Aber auch hier fand sich nichts, was irgendeinen Hinweis gegeben
hätte.
    Schweigend gingen sie zurück zu den Wagen.
    Schwemmer räusperte sich, bevor er sprach. »Das ist zu
wenig, Frau Kindel. Das werden Sie verstehen.«
    Sie nickte. »Trotzdem vergelt’s Gott, Herr Kommissar.
Und drei Hand voll einreibn, mitm Branntwein. In da Früh und am Abnd.«
    Schwemmer hob zum Abschied die Hand und stieg in
seinen Wagen. Sie sah ihm hinterher, wie er die Straße hinabrollte. Dann ging
sie noch einmal den Platz ab, um sicherzugehen, nichts übersehen zu haben. Als
sie wieder an ihrem Auto angelangt war, überkam sie erneut der Zweifel, am
richtigen Ort zu sein.
    Aber einen anderen kannte sie nicht.
    * * *
    Schwemmer steckte sein Handy in die Halterung der
Freisprecheinrichtung und rief Burgl an, während er den Wagen die Serpentinen
nach Burgrain hinuntersteuerte.
    Es war die Hoibl Vreni, die sich meldete.
    »Und?«, fragte Schwemmer. »Wart ihr beim Arzt?«
    Vreni erläuterte wortreich, dass dem Patienten immer
die letzte Entscheidung zustehe, es eigentlich gar nicht wirklich notwendig sei
und man überhaupt der Schulmedizin nicht blind hinterherlaufen sollte.
    Schwemmer widersprach nicht.
    »Sag, wo ich dich grad am Apparat hab«, sagte er
stattdessen. »Du kennst die Johanna Kindel, hab ich gehört. Was hast du denn
mit der zu schaffen?«
    Die Tonlage von Vrenis Stimme erhöhte sich merklich.
Mit der Familie Kindel hatte sie nur gelegentlich dienstlich zu tun, und
darüber durfte sie nicht sprechen, wegen Datenschutz.
    »Ich bin immerhin die Polizei«, sagte Schwemmer und
gönnte sich ein kleines, boshaftes Grinsen.
    Eben drum erst recht, meinte Vreni dazu. Da müsse er
ihr schon dienstlich kommen.
    Schwemmer versprach, das zu tun. »Ach, noch was: Wisst
ihr beim Jugendamt irgendwas über eine Satanisten-Rockband in Grainau?«
    Vrenis empörte Antwort ließ darauf schließen, dass sie
sich nun ernsthaft von ihm auf den Arm genommen fühlte und nicht bereit war,
das weiter hinzunehmen. Es gelang ihm mühsam, sie von der Ernsthaftigkeit
seiner Frage zu überzeugen, deren Antwort er ja quasi schon bekommen hatte, und
fast vergaß er darüber, sich Burgl geben zu lassen, aber nur fast.
    »Sitzen geht wieder«, berichtete sie ihm stolz.
    Er versprach ihr Entenkeulen mit Blaukraut und
Semmelknödeln zum Abendessen, aber sie bestand auf Eierbandnudeln mit
Steinpilzpesto und Rohkostsalat als Beilage und verband die Forderung mit
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