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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2
Autoren: Celia Friedman
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verursachte ihm eine Gänsehaut. Eine sonderbare Erregung, eine Mischung aus Angst und ehrfürchtiger Scheu, überkam ihn.
    Das ist sie, das ist die Geißel des Zerstörers, ausgesandt in grauer Vorzeit, um die Menschheit zu demütigen. Mein Vater wollte sich den Göttern gleichstellen und musste sterben. Nun müssen wir das Urteil des Schöpfers abwarten, die Entscheidung, ob eine solche Warnung genügt oder ob sich die Schrecken der Vergangenheit in ihrer Gesamtheit wiederholen müssen, auf dass wir unsere Lektion lernen.
    Selbstverständlich teilte er diese Gedanken nicht mit Gwynofar. Sie hing einem anderen Glauben an, der auf dem Stolz der Menschen beruhte, sie träumte von einer Entscheidungsschlacht zwischen Seelenfressern und Menschen, aus der die Menschen voraussichtlich als Sieger hervorgehen würden. Es war ein primitiver Glaube, einfältig in seiner Sicht der Welt, und irgendwann würde er sich damit befassen müssen. Aber nicht jetzt. Jetzt galt es, die Familienbande zu stärken, nicht sie zu belasten.
    Wir stehen am Rand eines Abgrunds , dachte er, nur einen Schritt entfernt von einer großen und schrecklichen Finsternis. Wenn wir das Gleichgewicht verlieren, wer weiß, ob unsere Nachkommen das Licht jemals wiedersehen werden?
    »Du musst entscheiden, wo die Krönung stattfinden soll«, hörte er seine Mutter sagen. »Solange das nicht feststeht, können keine Vorbereitungen getroffen werden.«
    Er schreckte auf und erkannte, dass er ihre letzten Worte überhört hatte. Zum Meditieren hast du später noch Zeit , ermahnte er sich. »Natürlich hier. Wo könnte man besser zeigen, dass die Macht des Großkönigtums weiterbesteht, als an Dantons eigenem Regierungssitz?«
    Sie runzelte die Stirn; die Wahl war deutlich nicht nach ihrem Geschmack. »Du weißt, dass der Palast so viele Gäste nicht aufnehmen kann. Es wird auf ein königliches Zeltlager in einer Brandwüste hinauslaufen. Nicht gerade ein würdiger Rahmen.«
    »Vielleicht werden die Gäste dadurch veranlasst, über das eigentliche Wesen der Welt nachzudenken. Dass das Leben, wie wir es kennen, nur ein flüchtiger Genuss ist und derselbe Gott, der uns schuf, uns ebenso leicht vernichten kann.« Er trat an den Tisch und brach sich noch ein Stück Brot ab, doch nach kurzem Überlegen legte er es wieder zurück. »Vielleicht erinnern sie sich auch, dass dieses Land das letzte Mal gerodet wurde, als ein Krieg die Gegend verwüstete und kein Fürst es sich leisten konnte, einem Feind so dicht vor seinen Toren Deckung zu geben.«
    Er stellte seinen Becher ab und streifte ein paar Krumen von seiner Kutte. »Aber nun komm, Mutter, zeig mir, was du in diesem Haus verändert hast und wie die Ahnenbäume in meiner Abwesenheit gewachsen sind. Währenddessen werde ich mich bemühen, alle deine Fragen zu beantworten, und wir können mit der Planung beginnen.«

    Wie eine Wunde legte sich der Sonnenuntergang über den westlichen Horizont und spuckte blutrote Wolken in einen Himmel, der so violett war wie ein Bluterguss. Unten auf der schwarzen Erde flackerten mehr als hundert Laternen. Dort waren zahlreiche Arbeiter immer noch eifrig bemüht, die verkohlten Überreste des riesigen königlichen Bannwaldes wegzukarren, um die Frist einzuhalten, die man ihnen gesetzt hatte. Das Gelände war kahl und öde, so weit das Auge reichte; nur der Palast auf seiner Anhöhe und die schroffen Berge im Norden durchbrachen den Rhythmus der Landschaft.
    Gwynofar stand allein auf dem höchsten Turm des Schlosses. Gegen Abend war ein kühler Wind aufgekommen, und sie schlang fröstelnd die Arme um sich, während sie sich daran erinnerte, wie der Wald gebrannt hatte. Kostas hatte das Feuer gelegt – Kostas, jener Elende, der sich als Magister ausgab und sich nach Ramirus’ Weggang ihrem Gemahl als Berater angedient hatte – und dann hatte er Dantons Dienern verboten, es zu löschen. Drei Tage und Nächte lang hatte ein unnatürlicher stinkender Sturm am Himmel gewütet und dichte Ascheschauer herabgeschleudert. Damals hatte Gwynofar das Feuer nur für einen Akt der Gehässigkeit gehalten, der ihr das Herz brechen sollte, damit sie leichter zu beeinflussen wäre. Vielleicht , hatte sie im Rückblick überlegt, sollte der Hass auf Kostas mich so blind machen, dass ich mich nicht über den unheimlichen Schauer wunderte, der mich jedes Mal überlief, wenn er einen Raum betrat. Aber nein, auch diese Erklärung reichte nicht aus. Sooft sie die Teile des Mosaiks auch zusammensetzte,
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