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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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reichten, er musste also von ziemlich kleiner Gestalt sein. Die Wölbung der Decke zeugte jedoch von beträchtlicher Leibesfülle. Obwohl Dornheim kaum die vierzig überschritten hatte, sah er um Jahre älter aus, was nicht nur an seiner grauen Gesichtsfarbe und der schmerzverzerrten Miene lag, sondern vor allem an seiner vorgewölbten Stirnglatze und dem schütteren Haupthaar, das ihm in schweißnassen Löckchen am Kopf klebte. Auch sein umlaufender Backen- und Kinnbart begann schon, an manchen Stellen grau zu werden. Um das Prunkbett herum standen mit ratlosen Gesichtern etliche Mitglieder des Domkapitels, die nun zurücktraten, um Cornelius Platz zu machen. Jetzt erst sah er die Gestalt, die zu Dornheims Füßen vor dem Bettpfosten hockte, zusammengekauert wie ein Häuflein Elend. Das jämmerliche Bündel Mensch wiegte den Oberkörper rhythmisch vor und zurück und summte dabei leise. Cornelius erschrak ein wenig, als er sah, dass das merkwürdige Wesen dunkle, fast schwarze Haut und Haare wie verschmorte Wolle hatte: ein Mohr.
    Der Bischof hielt die Finger so fest um ein Kruzifix aus schwarzen Perlen gekrampft, dass die Knöchel weiß hervortraten. Nun löste er die rechte Hand von dem kostbaren Kreuz, winkte Cornelius zu sich heran und fixierte ihn mit kleinen, weit auseinanderliegenden und in Fettfalten eingesunkenen Äuglein. Der junge Arzt trat ans Krankenlager und verbeugte sich.
    »Endlich«, flüsterte der mächtigste Mann Bambergs mit weinerlicher Stimme. »Ich halte diese Schmerzen nicht mehr aus.«
    »Was habt Ihr für Beschwerden, Eminenz?« Cornelius beugte sich über das Bett und fühlte dem Kranken die Stirn.
    »Einen gottverfluchten Blasenstein«, ächzte der Bischof und bekreuzigte sich gleichzeitig, weil er gelästert hatte. »Das weiß ich schon lange. Aber dass es plötzlich so schlimm wird … « Wieder krallte sich seine Hand um das Kruzifix.
    Der langjährige Stadtphysikus Jacob Eberlein, der schon einige Zeit vorher eingetroffen war, nickte Cornelius grüßend zu, hielt ihm ein bauchiges Harnglas hin und schwenkte es. Der Urin darin war blutig rot.
    »Der Stein muss scharfkantig sein, er hat die Blasenwand aufgerissen. Und er verursacht starke Koliken. Fieber ist auch schon da. Eigentlich wäre dies ein Fall für einen Wundarzt oder Steinschneider, was denkt Ihr, Herr Collega?«
    »Habt Ihr den Stein schon getastet?«
    Der alte Eberlein runzelte die Stirn. »Wie meint Ihr?«
    Cornelius nahm einen Fingerling aus Schafsdarm aus seiner Tasche, benetzte ihn mit Kamillenöl und stülpte ihn über. »Eminenz, würdet Ihr Euch aufdecken, damit ich Euch untersuchen kann?«
    Der Bischof schlug das Deckbett zur Seite, zog sein Nachtgewand hoch und beugte die Beine. Vorsichtig legte Cornelius die Linke auf seinen Unterbauch und schob dann den Finger langsam in das Rektum. Dornheim stöhnte laut, während Cornelius den Stein ertastete.
    »Da ist er«, sagte der junge Arzt, »groß wie ein Hühnerei und mit mehreren scharfen Spitzen.« Er zog die Hände zurück und streifte den Fingerling ab. »Bei Irrtümern der Ausscheidungsorgane löst sich das Element Alkali aus dem salzigen Urin und trifft mit der Säure aus dem Verdauungskanal zusammen. Das Produkt schlägt sich zuerst als feiner Sand nieder, aus dessen Zusammenlagerung dann Steine entstehen. Kleine Exemplare gehen manchmal durch die Harnröhre ab oder können aufgelöst werden. Doch hier gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen schneiden, Eminenz.«
    Der Fürstbischof schüttelte wild den Kopf wie ein ängstliches Kind. »Ich habe schon Männer nach einem Steinschnitt gesehen. Das Wasser ging ihnen durch ein Loch zwischen den Beinen ab, das nicht zugeheilt war. Sie stanken widerlich. Und sie konnten nicht mehr … Ihr wisst schon, was. Nein, ein Schnitt kommt nicht in Frage. Ach, Gott!« Erneut wurde er von einer Kolik geschüttelt und wand sich in den Kissen.
    »Nun, ich denke, wir versuchen es erst einmal mit einem Aufguss aus Steinbrech, Petersilie und Eppich. Und Mauerpfeffer, weil dessen kalte Natur der Körperhitze entgegenwirkt.« Jacob Eberlein schaltete sich ein. Man konnte ihm ansehen, dass er sich an diesem heiklen Fall lieber nicht die Finger verbrennen wollte. »Es ist sowieso kein Steinschneider in der Stadt, und unserem Bader möchte ich diese heikle Aufgabe nicht zutrauen … «
    »In diesem Stadium der Krankheit hilft Steinbrech nichts mehr, das wisst Ihr genauso gut wie ich.« Cornelius schüttelte den Kopf. »Die Schmerzen
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