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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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Damm. Dornheim heulte auf und wand sich im eisernen Griff der Diener. Nun musste es schnell gehen. Während Eberlein, der sich zur Assistenz hatte überreden lassen, das Blut unaufhörlich mit Schwämmen abtupfte, spreizte Cornelius mit der Zange den Schnitt auf, suchte und fasste dann mit dem Schraubzeug den Stein. Nach mehreren Drehungen des Gewindes gab es ein knirschendes Geräusch, und das Gebilde war in drei Teile zersprungen. Cornelius ertastete sie nacheinander mit dem Steinlöffel und zog sie vorsichtig durch die Öffnung.
    »Es ist geschafft, Euer Eminenz.« Erleichterung schwang in Cornelius’ Stimme.
    Der Fürstbischof stöhnte laut als Antwort, während der junge Arzt ruhig weiterhantierte. Mit einer Art Klistier, in dem sich Essigwasser mit Alaunverdünnung und etwas Tannin befand, spülte er die Blase gut aus, um alle Reste des Steines vollständig zu entfernen. Dann begann er, die Wunde mit einem Seidenfaden zu nähen. Dornheim liefen die Tränen aus den Augen, er hatte den Knebel ausgespuckt und biss nun die Zähne so fest zusammen, dass es laut knirschte. Dann, nachdem Cornelius noch ein silbernes Röhrchen in die Wunde eingelegt hatte, um einen guten Abfluss des Urins zu erreichen, hatte der Patient die Prozedur überstanden. Man hob ihn vorsichtig zurück in sein Bett, wo er sofort vor Erschöpfung einschlief.

Mohrenapotheke, am selben Tag
    Johanna summte ein Lied, während sie mit flinken Händen die Zutaten für ein Zahnpulver abwog und in die bereitstehende Reibschüssel schüttete. Ihr Vater hatte sich, wie jeden Tag um diese Zeit, zu einem Schläfchen in seine Kammer zurückgezogen. Die Apothekerstochter liebte diese ruhige Stunde, in der sie Muße fand, neue Rezepturen auszuprobieren oder Liegengebliebenes endlich zu erledigen. Längst wusste sie genug über Kräuter, Mineralien, natürliche und chymische Substanzen, um ihrem Vater die meisten Arbeiten abzunehmen, was sich dieser gern gefallen ließ. »Es ist ein Kreuz, dass die Johanna das Geschäft nicht übernehmen kann«, lamentierte er oft, »das Zeug dazu hätte sie.« Aber einem Weib blieb diese Möglichkeit verschlossen, so lange sie nicht Witwe und damit geschäftsfähig war. So lautete das Gesetz.
    Antoni, auf dem alle Hoffnungen seines Vaters ruhten, saß neben Johanna auf einem Schemel und beobachtete jede ihrer Bewegungen.
    »Lies die Rezeptur noch einmal laut vor, Toni, damit du sie dir merkst.«
    Folgsam griff der Junge nach dem dicken, ledergebundenen Folianten, der vor ihm auf dem Tisch lag.
    »Also … Pulver zum Zähn-Putzen. Man muss nehmen ein Pfund trocken Brot, und das muss durch und durch gebrennt werden, glühend wie die Kohlen. Hernach wird’s gar sauber aus dem Feuer genommen, dass kein Aschen daran bleibt, und auf ein Stein gelegt, dass es kalt wird. Hernach soll man’s so klein als möglich stoßen.«
    »Gut. So haben wir’s gemacht.« Johanna räumte einen dicken Holzmörser zur Seite und legte ein silbernes Dosierlöffelchen zurück in sein samtgepolstertes Kästchen. »Und weiter?«
    »Man muss auch nehmen eine große Hand voll Salve-Blätter, ein Hand voll Löffelkraut, beide getrucknet und wohl gestoßen. Dann zwei Loth Weinstein, auch ein halb Loth Perl-Samen, ein halb Loth rote Korallen, den vierten Teil von einer Muskatnuss gerieben. Das soll alles verpulverisiert und zusammen vermischt werden. Und man muss es alle Tag brauchen.«
    Johanna wuschelte ihrem kleinen Bruder liebevoll durchs Haar. »Willst du alles noch einmal durchrühren, hm?«
    Toni griff sich den Spatel und wühlte damit in der hölzernen Schüssel. »Kann ich dann gehen? Der Bernhard wartet bei den Fischgruben am Sand auf mich, er hat einen neuen Käscher ...«
    »Na lauf schon«, nickte Johanna, worauf Toni flugs den Spatel fallen ließ. Während seine Schwester im Nebenraum nach einem sauberen Aufbewahrungsgefäß für das Zahnpulver suchte, schnappte er sich blitzschnell die nächstbeste Sirupkanne, setzte die Schnaube an die Lippen und ließ den süßen, klebrigen Saft in seinen Mund tröpfeln. Dann flitzte er durch die Tür hinaus.

    »Hoppla!« Cornelius, der gerade im Begriff war, die Apotheke zu betreten, konnte gerade noch ausweichen. Grinsend sah er zu, wie Antoni eilig über die Obere Brücke davonrannte.
    »Jemand da?« Der junge Arzt sah sich in der Offizin um. Die Apotheke war ihm immer noch vertraut; schon als Junge war er mit seinem Vater oft hierher gekommen. In der Mitte des Raumes stand der riesige, mit unzähligen
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