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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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deinen Kopf hinweg will ich nicht entscheiden.«
    Dorothea nickte heftig. »Ach ja, Vater, ich nehm ihn mit Freuden zum Mann.«
    »Dann will ich mich nicht dagegenstellen. Ihr sollt meinen Segen bekommen.« Abdias stand auf und holte einen Krug Apfelbranntwein mit vier kleinen Zinnbechern vom Regal. »Lasst uns darauf einen Trunk tun.«
    Dorothea stieß einen Juchzer aus und fiel erst ihrem Vater, dann Johanna um den Hals. Nur Antoni entwand sich mit gespieltem Ekel ihrer Umarmung und maulte, weil er keinen Schnaps bekam.

    Später saßen die beiden Schwestern in ihrer gemeinsamen Schlafkammer auf den Betten, eine flackernde Kerze zwischen sich auf dem Nachttischchen.
    »Und es macht dir auch wirklich nichts aus, wenn ich vor dir unter die Haube komme?« Dorothea war immer noch unsicher.
    »Du lieber Himmel, Thea, sorg dich nicht um mich. Der Hans und ich, wir heiraten schon noch, wenn alles so weit ist. Vielleicht im nächsten Jahr … « Johanna flocht ihr widerspenstiges Haar zu einem dicken Nachtzopf. »Nach uns müsst ihr euch nicht richten.«
    Thea zupfte nachdenklich an ihrem leinenen Nachthemd. »Dass der Hans und du es so lang aushaltet … Ich meine … du bist doch immer noch Jungfrau, oder?«
    Johanna runzelte die Stirn. »Natürlich. Der Hans ist ein Ehrenmann.« Dann sah sie ihre Schwester misstrauisch an. »Erzähl jetzt bloß nicht, dass du … «
    »Doch.« Thea schlüpfte unter die Bettdecke und zog sie bis zum Kinn. Sie lächelte selig. »Und es tut mir überhaupt nicht leid. Ach Hanna, der Heinrich ist so ein wunderbarer Mann! So zärtlich, so klug, so lieb, so … «
    Johanna konnte ihre Neugier nicht bezähmen. »Sag, wie ist es?«
    »Ich kann’s gar nicht beschreiben. Er hat mich gestreichelt, überall. Und dann … erst hat’s mir wehgetan, aber dann war es … wie im Himmel.« Sie seufzte sehnsüchtig und schloss die Augen. Dann schoss sie plötzlich hoch. »Du, wenn du das irgendjemandem verrätst … «
    »Aber wo!«
    »Schwörst du’s?«
    »In Herrgotts Namen, ja! Ich schweige wie ein Grab!« Johanna blies die Kerze aus und rollte sich unter dem Federbett zusammen. Sie gönnte ihrer Schwester das Glück von Herzen, auch wenn sie nicht ganz verstehen konnte, dass sich ein kaum neunzehnjähriges Mädchen zu einem Mann hingezogen fühlte, der so alt wie ihr Vater war. Sie dachte an Hans, der ihr gerade einmal drei Jahre voraushatte. Man konnte ihn nicht unbedingt hübsch nennen, aber er war rank und schlank, einen guten Kopf größer als sie, mit grauen Augen und braunem Haar, das in einem seltsam widerspenstigen Wirbel über der Stirn nach hinten fiel. Sie waren Tür an Tür aufgewachsen, kannten sich, seit sie denken konnten. Ihre Mütter waren die besten Freundinnen gewesen und hatten damals schon scherzhaft Heiratspläne für die beiden Kinder geschmiedet. Vielleicht war das einer der Gründe, warum die Verlobung letztendlich zustande gekommen war. Hans Schramms Eltern waren vier Jahre nach Antonija Wolff gestorben, damals, als der Englische Schweiß in der Stadt umgegangen war. Hans lebte seitdem bei einer älteren Verwandten am Hasentörlein und hatte eine Stellung als Hilfsschreiber beim Rat. Und als er Johanna gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wolle, war es ihr ganz selbstverständlich erschienen, ja zu sagen. Und auch ihr Vater hatte im Gedenken an seine Frau gern seine Einwilligung gegeben.
    Lange hatte sie sich nicht eingestanden, dass sie etwas vermisste. Natürlich, sie hatten sich seitdem geküsst, manchmal waren sie auch ein bisschen weiter gegangen, draußen im Garten oder hinter den Fischkästen beim Steg an der Regnitz. Und wenn er es darauf angelegt hätte, wer weiß, vielleicht hätte sie sogar nachgegeben. Aber er hatte sie nie gedrängt. Und wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich jetzt beinahe gekränkt durch seine Zurückhaltung. Er war doch ein Mann, zum Kuckuck! Fand er sie nicht anziehend genug? Liebte er sie nicht wirklich? Warum bestand er darauf, erst dann Hochzeit zu halten, wenn er zum Stadtschreiber aufgestiegen war? Er wusste doch, dass sie sich jederzeit ihr Erbteil auszahlen lassen konnte. Und sein Erbe war ja auch noch da, gut angelegt in Anteilen am Flusshandel.
    Johanna horchte auf die ruhigen Atemzüge ihrer Schwester und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. Ach, wie sehr sie Thea beneidete. Und wie sehr sie sich selber nach solcher Leidenschaft sehnte. Sie atmete einmal tief durch. Dumme Liese, sagte sie entschlossen zu sich selbst.
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