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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben
Autoren: Susanne Gerdom
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ungeduldig den Gürtel auf und ließ die Hose auf ihre Knöchel fallen. Dann zog sie das Hemd über den Kopf, drehte beides eilig zu einem Bündel zusammen, schnürte den Gürtel darum und stopfte alles unter das Bett.
    Sie schnüffelte an ihrem Arm, dann schüttete sie aus der großen Porzellankanne Wasser in die Waschschüssel und griff nach dem Schwamm.
    Als ihre Zofe zurückkam, hockte sie auf der Bettkante und ließ die Beine baumeln. Das Mädchen half ihr in den Unterrock zu steigen, hakte die Taille zu, knöpfte die Ärmel und schnürte den Rock. Dann trat sie zurück und wartete.
    Vanandel drehte sich prüfend vor dem Spiegel, zupfte das Brusttuch zurecht, ordnete die Spitzen am Ärmel und nickte zufrieden. »Meine Jacke«, sagte sie.
    Die Zofe half ihr in das knappe, dunkelrote Schoßjäckchen. Vanandel setzte sich an den Frisiertisch und schloss die Augen, während die Zofe ihre Haare richtete. Gelegentlich ächzte sie, wenn es zu sehr ziepte, aber sie verharrte lammfromm, auch als es ans Schminken und Pudern ging, obwohl ihre ungeduldig zuckenden Finger zeigten, dass sie am allerliebsten aufgesprungen und davongelaufen wäre.
    Â»Danke«, sagte sie schließlich. »Das genügt, Wibke.« Sie zupfte eine Locke aus der aufgetürmten Frisur und ließ sie verwegen auf ihre Schulter herabringeln. »Sehr schön. Den Schmuck lege ich mir selbst an.«
    Die Zofe knickste. Vanandel konnte an ihrer spitznasigen Miene ablesen, dass sie vor Neugier schier platzte, und verkniff sich ein breites Grinsen. Wibke wusste, dass ihre Herrin sich nur zu den seltensten Gelegenheiten so aufputzen ließ. Zum Anlass des heutigen informellen Abendessens mit ein paar zweitrangigen Würdenträgern hätte sie sich sonst in eine ihrer weniger formellen Roben gewandet und ganz sicher nicht die Mühe einer höchst zeremoniellen Turmfrisur auf sich genommen. Ihre jetzige Aufmachung war geeignet für den großen Herbstball oder die Geburtstagsfeier des Markgrafen – und jetzt rätselte Wibke sicherlich, welcher der heute Abend anwesenden Herren Vanandels Gefallen erregt haben mochte.
    Â»Danke, Wibke, du kannst gehen.« Vanandel lächelte ihre Zofe verschwörerisch an. »Ich denke, bei mir wird es heute sehr spät – nimm dir den Abend frei. Ich brauche dich erst morgen wieder.«
    Die Zofe sperrte erneut den Mund auf, dann blinzelte sie, errötete, lächelte verlegen und machte einen tiefen Knicks, bevor sie ging.
    Vanandel wartete eine Weile, dann verschloss sie die Tür und eilte zu ihrem kleinen Schreibpult. Sie schob ungeduldig die Klappe beiseite, die ein winziges Geheimfach verbarg, und nahm einen unscheinbaren Silberreif heraus, den sie über den Daumen streifte. Sie schloss die Augen, hauchte den Reif an, sodass das Silber matt beschlug, und murmelte: »Ogami lednanav.«
    Wie immer hielt sie die Augen fest geschlossen, damit ihr nicht übel wurde. Bei der allerersten Beschwörung unter Magister Davydds Obhut hatte sie noch neugierig zugeschaut – doch diese Erfahrung wollte sie nicht wiederholen.
    Ein leises Rascheln verriet ihr, dass das Werk getan war. Sie schlug die Augen auf und musterte das Imago mit kritischem Blick. Sehr gelungen, dachte sie. Das grüne Kleid stand ihr wirklich ausgezeichnet, und die Puderschicht auf dem Gesicht verbarg ein wenig den Umstand, dass das Imago nicht gerade mit mimischem Temperament gesegnet war.
    Â»Setz dich hin, bis zum Essen geläutet wird, dann geh in den kleinen Speisesaal«, befahl sie. Das Imago nickte gehorsam und sank auf den Hocker neben der Tür. Dort faltete es die Hände im Schoß und senkte sittsam den Blick. Vanandel seufzte. Was für ein dummes Lämmchen! Kein Wunder, dass ihr unaufmerksamer Vater neuerdings so vernarrt in seine jüngste Tochter war. Vor Kurzem hatte er sich einem seiner Berater gegenüber geäußert, er sei höchst erfreut darüber, dass ihr hitziges Temperament sich so wohltuend ins Gegenteil verkehrt habe, das sei wohl ihrer zunehmenden Reife und erblühenden Weiblichkeit zuzuschreiben. Vanandel ächzte bei dieser Erinnerung vor Grimm.
    Sie verschwendete keinen weiteren Blick an das Imago und riss sich die gerade erst so umständlich angelegten Gewänder vom Leib, um sie in unordentlichen Haufen auf dem Fußboden zurückzulassen. In Unterwäsche kroch sie unter das breite Bett und zerrte
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