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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben
Autoren: Susanne Gerdom
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dir, wenn dein Vat… – wenn Alfried und ich einmal nicht mehr sind?«
    Lluigolf sah sie erstaunt an. Alfried hatte sich in all den Jahren wenig um ihn gekümmert. Der Sohn seiner Frau aß an seinem Tisch und schlief unter seinem Dach, und der Bauer duldete ihn. Mehr aber auch nicht. Woher also die plötzliche Sorge um sein Wohlbefinden?
    Die Antwort dämmerte ihm bei Rialinns nächsten Worten: »Wir haben uns überlegt, dass es vielleicht gut für dich wäre, ein wenig mehr von der Welt zu sehen. Ich war einmal sehr glücklich in der Residenz. Was meinst du, würde es dir gefallen, dorthin zu reisen? Es gibt hübsche Mädchen dort.« Sie lächelte ihn an und ihr Ton war scherzhaft, aber in den Winkeln ihrer Augen nistete Trauer.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. Gelegentlich, wenn seine Stiefbrüder ihn wieder einmal zu sehr drangsalierten, hatte er davon gesprochen, fortzugehen, aber Rialinn hatte sich immer geweigert, ihn ziehen zu lassen. Stets hatte sie gesagt, Alfried würde ihm kein Geld geben wollen.
    Â»Reisen ist teuer«, sagte er lauernd.
    Rialinn zog schweigend einen Beutel aus den Falten ihres Rockes. Lluigolf nahm ihn und wog ihn in der Hand. Münzen klimperten. Es war kein Vermögen, denn das Beutelchen wog nicht allzu schwer, aber Alfried war ein Geizhals – vor allem, was seinen Stiefsohn anging. Dass er sich freiwillig von einer, wenn auch kleinen, Summe Geldes trennte, sprach deutliche Worte.
    Â»Siirans Eltern stecken dahinter«, sagte er.
    Â»Wieso sollten sie das?«
    Â»Weil sie nicht wollen, dass ich …« Er brach ab. Rialinn bemühte sich um eine ausdruckslose Miene, aber Lluigolf kannte sie zu gut. Seine Mutter war traurig und verzweifelt, und sie sorgte sich. Um ihn. Er legte den Geldbeutel in ihren Schoß zurück.
    Â»Es ist ein Geschenk deines Vaters«, sagte sie.
    Â»Verwahre es für mich.« Und leiser: »Vielleicht brauche ich es ja doch noch. Sag ihm, ich denke über alles nach.« Er küsste sie auf die Wange und flüchtete hinaus in die Abenddämmerung.

    Im Wald war es bereits dunkel. Erst als die kleine Elbensiedlung in Rufweite war, kam er wieder zur Besinnung. Siiran erwartete ihn erst wieder am morgigen Abend. Unschlüssig blieb er hinter einem Baum stehen und starrte zu Siirans Heim hinüber. Es war nach Elbenart zwischen einigen Bäumen aus geflochtenen Zweigen gebaut und glich mehr einem Gebüsch als einem Haus. Licht schimmerte durch das Laub.
    Lluigolf versuchte vergeblich, einen Blick auf seine Liebste zu erhaschen. Nachdem er einige Male um das Haus geschlichen war, trat er in den tiefen Schatten eines Haselstrauches und imitierte den verschlafen gurrenden Ruf einer Taube drei Mal, dann wartete er.
    Die Abendluft wurde zunehmend kühler und feuchter, Lluigolf begann zu frösteln. Aber seine Geduld wurde wenig später belohnt, als eine schlanke Silhouette aus der Türöffnung trat und sich suchend umsah.
    Lluigolf krächzte wie ein Rabe, verschluckte sich und begann unterdrückt zu husten. Leichte Schritte raschelten durch das Gras zu ihm hin, eine Hand ergriff die seine und zog ihn eilig vom Haus fort. »Was sollte das denn sein?«, fragte das Elbenmädchen lachend. »Der Halswehvogel? Das klang ja schauerlich.«
    Lluigolf kam wieder zu Atem, den er unverzüglich nutzte, um Siiran an sich zu ziehen und zu küssen.
    Die Elbin wand sich aus seinen Armen – aber erst, nachdem sie seinen Kuss innig erwidert hatte – und protestierte: »Nicht hier. Ich stehe bis zum Knie in irgendwelchem Stachelzeug!«
    Sie wanderten stumm Hand in Hand weiter, bis sie den Waldrand erreicht hatten. Nachmittags war die Wiese ein Ort voller Licht und Wärme, die Luft erfüllt mit Blumenduft und tanzenden Schmetterlingen. Jetzt bewegten sich düstere Schatten auf dem weichen Gras, Laub rauschte im Wind und Zweige raschelten. Siirans Finger umklammerten seine Hand ein wenig fester. Lluigolf legte den Arm um ihre Schulter, und sie kuschelte sich fröstelnd an ihn.
    Â»Warum bist du gekommen?«, fragte die junge Elbin. »Hattest du solche Sehnsucht nach mir, dass du nicht bis morgen warten konntest?«
    Als er nicht sofort darauf antwortete, hob sie den Kopf und versuchte, in der Dunkelheit in seinem Gesicht zu lesen. »Was hast du?«
    Statt einer Antwort küsste er sie, streichelte ihren schlanken Hals, begann die Verschnürung
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