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Die See des Schicksaals

Die See des Schicksaals

Titel: Die See des Schicksaals
Autoren: Michael Moorcock
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etwas beruhigt zu haben schien und von einem Unwetter nichts mehr zu spüren war. Die Luft fühlte sich sehr kalt an.
    Elric stand auf, wobei er sich auf sein Schwert stützte und angestrengt lauschte, aber nichts ließ erkennen, daß seine Feinde in der Nähe waren. Zweifellos hatten sie die Jagd aufgegeben, vielleicht nachdem sie das tote Pferd gefunden hatten.
    Er griff in den Beutel an seinem Gürtel und zog einen Streifen geräucherten Speck und ein Fläschchen mit einer gelblichen Flüssigkeit heraus. Er trank aus der Flasche, verschloß sie mit dem Stöpsel und steckte sie wieder in den Beutel, während er das Fleisch kaute. Er hatte Durst.
    Vorsichtig marschierte er weiter den Strand entlang und fand eine Pfütze mit Regenwasser, das noch nicht allzu salzig geworden war. Er trank, bis der Durst gelöscht war, und sah sich um. Der Nebel war ziemlich dicht, und wenn er sich zu weit vom Strand entfernte, würde er sich verlaufen. Aber was machte das? Er hatte kein Ziel. Seine Verfolger mußten das gewußt haben. Ohne Pferd konnte er nicht nach Pikarayd zurückkehren, das östlichste der Jungen Königreiche. Ohne Boot konnte er sich nicht auf das Meer hinauswagen und zur Insel der Purpurnen Städte zurückkehren. Auf keiner Landkarte war ein Ostmeer eingezeichnet, soweit er sich erinnerte, und er hatte keine Vorstellung, wie weit er von Pikarayd entfernt war. Er kam zu dem Schluß, daß seine einzige Überlebenschance im Norden lag; er mußte der Küste folgen in der Hoffnung, daß er früher oder später auf einen Hafen oder ein Fischerdorf stieß, wo er seine wenigen verbliebenen Besitztümer gegen eine Bootspassage eintauschen konnte. Es war nur eine kleine Chance, denn seine Nahrungsmittel und seine Drogen reichten noch für höchstens zwei Tage.
    Er tat einen tiefen Atemzug, um sich auf den Marsch vorzubereiten - eine Bewegung, die er sofort bedauerte; der Nebel kratzte wie mit tausend winzigen Messern in Hals und Lunge. Er hustete. Er spuckte aus.
    Und dann hörte er etwas anderes, etwas, das sich über das mürrische Flüstern des Meeres erhob: ein regelmäßiges Knirschen, wie von einem Mann, der sich in einem steifen Lederpanzer bewegt. Elrics Rechte fuhr an die linke Hüfte, zu dem Schwert, das dort hing. Er wandte sich um, starrte in jede Richtung, versuchte die Ursache des Geräuschs zu ergründen, aber der Nebel verzerrte die Laute. Sie konnten von überallher kommen.
    Elric schlich zu dem Felsen zurück, der ihm Schutz geboten hatte, und lehnte sich dagegen, damit kein Schwertkämpfer ihn von hinten überraschen konnte. Dann wartete er ab.
    Wieder war das Knirschen zu hören, doch nun von anderen Lauten ergänzt: er hörte ein Klirren, ein Quietschen, ein Klatschen, vielleicht auch eine Stimme oder einen Schritt auf Holz, und er sagte sich, daß ihn die eben eingenommene Droge Halluzinationen erleben ließ oder daß er da ein Schiff auf die Küste zukommen hörte, das nun Anker warf.
    Er war erleichtert und hätte sich am liebsten selbst ausgelacht wegen der voreiligen Annahme, daß diese Küste unbewohnt sei. Er hatte sich eingebildet, daß sich die kahlen Klippen noch meilenweit erstreckten - vielleicht sogar auf viele hundert Meilen. Diese Annahme mochte durchaus eine subjektive Folge seiner Depression, seiner Erschöpfung sein. Gleichzeitig ging ihm der Gedanke durch den Kopf, daß er hier ohne weiteres ein Land gefunden haben konnte, das auf den Landkarten nicht verzeichnet war, das aber eine ausgeprägte eigene Kultur besaß - zum Beispiel mit Segelschiffen und dazu passenden Häfen. Trotzdem gab er sich noch nicht zu erkennen.
    Statt dessen zog er sich hinter den Felsen zurück und spähte durch den Nebel über das Meer. Und endlich machte er dort einen Schatten aus, der gestern abend noch nicht vorhanden gewesen war, einen schwarzen, eckigen Schatten, bei dem es sich nur um ein Schiff handeln konnte. Vage nahm er Taue wahr, hörte Männer brummen, hörte das Knirschen und Ratschen einer Rah, die am Mast hochgezogen wurde. Das Segel wurde gerefft.
    Elric wartete mindestens eine Stunde lang darauf, daß die Mannschaft an Land kam. Einen anderen Grund für die Einfahrt in diese gefährliche Bucht konnte er sich nicht vorstellen. Aber Stille war herabgesunken, als läge das ganze Schiff im Schlaf.
    Vorsichtig schob sich Elric hinter dem Felsen hervor und ging zum Wasser. Von hier konnte er das Schiff ein wenig deutlicher ausmachen. Roter Sonnenschein strömte dahinter hervor, dünn und wäßrig,
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