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Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Titel: Die Sechzigjaehrige und der junge Mann
Autoren: Nora Iuga
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Badezimmertür geschlossen wird, dort im Garten des Schriftstellerverbands, im Gebüsch hinter dem Pavillon, regnete es im November, schlammige Erde, kalte, spitze Kieselsteine rieben an ihren Schenkeln, er mühte sich ab, ihr die Strumpfhose auszuziehen, fluchte, unter der Leinenbluse ließen ihre Brüste die heiße Hand gröber werden, hart und wie glühendes Eisen drang der Schwanz in sie ein, sie fühlte seine Stöße bis zum Magen, er arbeitete schwer, an allen Fronten, mit den Fingern, den Zähnen, der Zunge, er zerrte ihre Beine auf seine Schultern, setzte seine Werkzeuge gekonnt ein, wie ein erfahrener Handwerker, hielt inne, fing wieder an, von vorne, von hinten, glitt aus ihr heraus, roch ihren Duft nach zerstoßenen Oliven, der ihn noch härter werden ließ, und wieder drang er tief in sie ein, fick mich, sag es, Kleine, fick mich durch, fick mich, weiter, weiter, und raus und rein wie ein automatisches Ventil … sie hätte wie verrückt schreien können, aber sie biss sich auf die Lippen, um ihre Lust nicht herauszubrüllen, denn man hörte Schritte, und plötzlich war da auch dieser Hund aufgetaucht – wenn man ejakuliert, hält dich auch eine Revolvermündung an der Schläfe nicht mehr auf, wie Mihai sagt –, Schätzchen, das war wunderbar, das muss ich dir lassen, du verstehst dein Handwerk! Und er wischte sich den Schwanz mit einem Taschentuch ab und hielt es ihr dann hin. Mach’s gut, ich ruf dich an. Sie sah ihn von hinten, wie er zurück zum Lokal ging, sie hörte die Badezimmertür aufgehen, das Wasser rauschte noch in der Spülung.
    Wie lange werden diese Bilder sie noch verfolgen, die erhitzten, irren Masken, an die schlaffe Haut gepresst; war das Terry gewesen oder sie selbst? Sie fühlt ihr Gesicht so deutlich, dass sie es auch ohne Spiegel sieht … in diesem Alter, wie lang wird es her sein, seit du damit aufgehört hast, fünf Jahre, oder zehn. Ihre Augen sind leichenhaft starr. Seltsam, ich sehe mir nicht mehr ähnlich. Sie hebt die Brauen, um ihre Augen strahlender wirken zu lassen, sie bleckt die Zähne mit einem gekünstelten Lächeln, nur so weit, dass man die Lücke nicht sieht, in der ein Backenzahn fehlt. Auch er lächelt und scheint nichts zu bemerken. Er lässt das Licht seines Blicks über ihr Gesicht wandern, wie der Spiegel des Kindes gegenüber, wenn es auf den Balkon kommt und sie blendet. Los, nur Mut, siehst du, es geht … nein, ich täusche mich nicht, so viele Männer sind durch mein Leben gegangen, ich kann einen Verliebten von einem Freund unterscheiden. Diese Art, mit den Augen der Stille zu lauschen, das Bedürfnis, den Abschied hinauszuzögern, wenn man so viel wie möglich vom anderen mitnehmen will, um sich bis zum nächsten Mal zu bevorraten. Wer weiß, vielleicht habe ich noch junge Drüsen, und sein Instinkt nimmt mich wahr, sonst verhielte er sich mir gegenüber doch nicht so, wie man mit einer Frau umgeht, in die man verliebt ist. Ist dir jemals ein sinnloses Geschenk gemacht worden, das dir unannehmbar spät überreicht wurde, vielleicht sogar erst zuallerletzt? Das ist eine wirkliche Strafe. Ich denke manchmal, dass sich wohl jemand über mich lustig macht. Niemand kann mich als lächerlicher empfinden, als ich selbst es tue. Aber ich denke immerzu an ihn. Ich gehe durchs Zimmer und murmele vor mich hin»ich sehne mich nach dir«, denn wenn ich ihn mir vorstellen möchte, gibt es da kein Gesicht, ich sehe ihn nie körperlich in meiner Nähe. Wieder diese Besessenheit.
    Während du nebenan warst, habe ich darüber nachgedacht, dass wir immer nur den gegenwärtigen Augenblick sinnlich wahrnehmen können. Der Rest unseres Lebens existiert gar nicht wirklich. Die Erinnerung ist Fiktion, Vergangenheit, Schein; nicht einmal ein Schatten, ein Hauch, den man sehen könnte. Oft habe ich gedacht, was für eine Strafe es ist, dass wir uns die Gesichter unserer Lieben nicht wieder ins Gedächtnis rufen können. Die gesamte Wegstrecke bleibt dir versperrt. Sogar der Traum ist wirklicher, man erlebt ihn unmittelbar, man riecht, sieht, fühlt ihn. Auch wenn man ihn vergessen hat, ist man vielleicht am nächsten Morgen in einer unerklärlichen Stimmung, ist fröhlich oder schlecht gelaunt, wie nach einem Ereignis, das tatsächlich stattgefunden hat. Als säßen wir die ganze Zeit in einem Kinosaal, pausierten zwischen zwei Filmen. Einem, den wir gesehen haben, und einem, den wir sehen werden. Anna hält plötzlich inne, springt vom Sofa auf und rennt zur Tür. Auf
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