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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne
Autoren: Susan Hastings
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Lamm, Drossel und Hühnchen mit einer Soße aus Sauerwein, dazwischen Krebse aus der Pleiße, Kaninchen in Aspik, kalten Salbei mit Wachtelküken, gefüllte Schweinsköpfe mit Äpfeln, Zickleingekröse in Kräutern, Käse und gewürzten Wein, Selleriegemüse, Hühnchenpastete, Mehlpudding mit rosa Zuckerwerk und Granatäpfel.
    Der Gewürzhandel gedieh in der umtriebigen Messestadt prächtig, und so waren die Speisen mit edlen Gewürzen wie Ingwer, Zimt, Nelken, Paradieskorn, Pfeffer, Nardenwurzel, Safran, Muskatnuss, Lorbeerblättern, Kümmel und Zucker veredelt. Darauf waren der Bürgermeister und seine Ratsherren besonders stolz.
    Auf der anderen Seite der Tafel saß der Klerus. Der Propst des Thomasklosters mit Namen Benedictus schlug seine Finger in einen Schweinskopf.
    »Völlerei ist Sünde«, stieß er kauend hervor, und das Fett troff über sein Doppelkinn. »Aber das grobe Fleisch hält Leib und Seele zusammen.« Er warf einen begehrlichen Blick auf das feine Hühnchenfleisch, das zwar als weniger nahrhaft als das Fleisch von Rind, Schwein und Schaf galt, aber weil es dem Adel zu­stand, war es eine besondere Speise. Für seine sündhafte Völlerei, die einen sozusagen kurfürstlichen Anlass hatte, erteilte er sich selbst Absolution, indem er Buße tat und an zwei Tagen der Woche dem Fleischgenuss entsagte. An diesen Tagen gab es dann eben die doppelte Portion Aale und Krebsschwänze, Forellen, Karpfen und Neunaugen, aber auch Lauch, Zwiebeln, Kohl, Linsen und Bohnen. Diese Art der Askese machte dieses Bankett wieder wett.
    Das Messer des Propstes war mit eingravierten Versen verziert: »Für deine Wohltaten sagen wir dir, Herr, unseren Dank.« Das ersparte ihm die Danksagung vor dem Essen. Benedictus war dafür viel zu beschäftigt, er musste ja von allen Speisen kosten. Zwischendurch schlug er dem einen oder anderen Klosterbruder auf die Finger, der sich zu vorwitzig an der Tafel bediente, bevor sich sein Propst von der Speise genommen hatte.
    Wiederholt trugen die Diener Brot auf, mit dem die Soßen und das Bratenfett aufgetunkt wurden oder das als Unterlage für die Fleischstückchen diente. Die runden Brotlaibe trugen die Zeichen der Bäcker, die sie gebacken hatten.
    »Ich sehe, Eure vielen Mühlen bringen der Stadt Wohlstand«, sagte der Kurfürst zum Bürgermeister und zerriss mit seinen goldberingten Fingern einen kleineren Brotlaib. »Gesegnet sei die Stadt mit ihren vielen Flüssen, auch wenn es im Sommer nur so von Mücken wimmelt.«
    »Keine Sorge, Hoheit, die Mücken bleiben draußen in der Aue. Sollen die Müller sich damit herumplagen.«
    »Dafür gibt es hier fette Fliegen«, flüsterte einer der Ratsherren und schielte zum Propst mit seinen schwarz gekleideten Mönchen. Wie die schwarzen Fliegen auf dem Misthaufen oder an den Rinnsalen auf den Gassen hielten sie sich am Servierten schadlos.
    »Sie sind beides«, flüsterte sein Tischnachbar zurück. »Hier fressen sie wie fette Fliegen, und draußen saugen sie mit ihrem Ablasshandel wie die Mücken die Leute aus.«
    Er erhielt einen Fußstoß unter dem Tisch.
    »Mach dich nicht unglücklich«, riet ihm ein anderer Ratsherr. »Der Propst hat mehr Macht innerhalb der Stadtmauern als der Kurfürst.«
    Der Angesprochene schwieg und bediente sich weiter von den silbernen Platten. So ein Festmahl gab es schließlich nicht alle Tage, und da sollte man nicht die Zeit mit sinnlosem Geschwätz vertun.
    »Ich finde es trotzdem seltsam, dass wir unsere Ehefrauen nicht zum Bankett mitbringen durften. Nur der Bürgermeister hat seine Tochter dabei. Angeblich aus Sparsamkeitsgründen, damit das Essen üppiger ausfällt. Aber wieso begleitet ihn dann seine Tochter?«
    »Siehst du nicht, dass sie als Kurzweil für den Kurfürsten ge­dacht ist? Ich glaube kaum, dass der Kurfürst sich an deinem Weib ergötzt hätte. Außerdem rührt Elisabeth die Speisen kaum an.«
    Er griff nach dem Becher mit Würzwein.
    »Es lebe der Kurfürst«, rief er. Die anderen Anwesenden fielen in die Hochrufe ein und prosteten dem Kurfürsten zu.
    Einer der Ratsherren und auch zwei Mönche beugten sich unter die Tafel, um zu erbrechen. Die Geräusche gingen in den Hochrufen auf den Kurfürsten unter. Einige Hunde stürzten sich auf die Leckerbissen.
    Ein kleiner, rotwangiger Mönch kroch unter dem Tisch hervor, froh darüber, dass wieder genügend Platz in seinem Bauch war. Sein Bruder blieb unter dem Tisch liegen. Der Wein hatte seinen Geist benebelt, so dass er friedlich
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