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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne
Autoren: Susan Hastings
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Weg den Besitzer. Zufrieden wandten sich sowohl der Propst wie auch Hieronymus ab.
    »Kommt«, forderte er Elisabeth auf. »Das Fest ist zu Ende. Ich geleite Euch zu Eurem Haus.«
    Wenig später suchte Hieronymus eine Schänke auf und ließ sich einen großen Krug Wein bringen. Der Prinzenraub war Stadtgespräch, und nicht nur in den Schänken hockten die Leute zusammen und diskutierten über diese Ungeheuerlichkeit.
    Zu seiner Überraschung entdeckte Hieronymus den Gelehrten, der neben ihm auf dem Marktplatz gestanden hatte. Auch dieser erkannte Hieronymus wieder. Der Kaufmann winkte ihm zu und schob dem Mann einen Hocker hin.
    »Setzt Euch zu mir, Herr Gelehrter, und seid mein Gast. Die ganze Stadt ist in Aufregung.«
    Schweigend setzte sich der Mann und ordnete sorgfältig die Falten seines langen, dunklen Umhangs. Der Wirt brachte einen zweiten Becher. Hieronymus schenkte eigenhändig ein.
    »Mein Name ist Hieronymus Preller, ich bin einer der ersten Kaufleute am Platz.«
    Bedächtig nahm der Gelehrte den Becher und schaute ihn aufmerksam an. Der Mann hatte ein blasses Gesicht mit klugen Augen, die ein wenig skeptisch blickten.
    »Ich kenne Euch, Preller. Wer kennt Euch nicht? Wer erfolgreich und wohlhabend ist, den sieht man gern.«
    »Und mit wem habe ich die Ehre?«
    Der Gelehrte lachte auf.
    »Ich bin Jakob Siebenpfeiffer, Magister an der hiesigen Universität.«
    »Auf Euer Wohl, Herr Magister.«
    Siebenpfeiffer hob den Becher ein Stück höher.
    »Auf Euer Wohl, Preller.«
    Sie tranken beide.
    »Ist es nicht seltsam«, stellte Hieronymus fest, »dass so ein Unglück uns die Bekanntschaft beschert?«
    »So Ihr bewandert in philosophischen Dingen seid, müsste Euch klar sein, dass jedes Ereignis zwei Seiten hat, eine gute und eine schlechte. Wobei ich bei dem, was den Prinzen widerfahren ist, nicht von einem Unglück sprechen würde.«
    »So? Wisst Ihr etwa mehr davon?«
    Interessiert beugte sich Hieronymus zu dem Gelehrten herüber und senkte dabei die Stimme. Dieser schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß gar nichts. Aber ich ziehe logische Schlussfolgerungen.«
    »Und was ergeben Eure Schlussfolgerungen?« Seine Augen ließen nicht einen Moment von den Lippen des Gelehrten. Der schien mehr Interesse an seinem Weinbecher zu hegen als daran, Hieronymus’ Neugier zu befriedigen.
    »Nun, wie ich sagte, jedes Ereignis hat immer eine gute und eine schlechte Seite. Und jedes Ereignis ergibt sich aus einem vorhergehenden Ereignis, das dieses bedingt.«
    Hieronymus knallte hart den Becher auf den groben Tisch und verzog ärgerlich das Gesicht.
    »Ich bin keiner von Euren Studiosi, Herr Magister. Könnt Ihr Euch nicht etwas verständlicher ausdrücken?«
    »Es stellt sich die Frage, wer zieht einen Gewinn aus der Entführung der Prinzen? Jemand, der mit dem Kurfürsten eine Rechnung zu begleichen hat.«
    Hieronymus’ Augen weiteten sich.
    »Wer sollte es wagen, gegen den Landesherrn anzukämpfen, außer«, er stockte, und ein Leuchten der Erkenntnis flog über sein Gesicht, »der Bruder des Kurfürsten, Wilhelm.«
    Siebenpfeiffer setzte seinen Becher ab und zog seinen Umhang fester um den Körper, als wollte er sich auf diese Weise vor der Unwissenheit des Kaufmanns schützen.
    »Wilhelm würde den Teufel tun und seine eigenen Neffen entführen, damit würde er ja die Ergebnisse des Bruderkrieges in Frage stellen. Nein, nein, dazu wäre er nicht in der Lage. Diese Entführung ist die Tat eines tollkühnen Mannes, der einen triftigen Grund hat, auf diese Weise sein Recht zu erzwingen.«
    Hieronymus überlegte angestrengt.
    »Ihr meint doch nicht etwa diesen Ritter, der gegen Friedrich klagte?«
    »Kunz von Kaufungen, ganz recht.« Siebenpfeiffers Gesicht blieb reglos, während Hieronymus der Atem stockte.
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Wie ich sagte, ich weiß es nicht. Es ist eine logische Schlussfolgerung.«
    »Ritter Kunz ist doch ein Verbündeter Friedrichs, hat auf seiner Seite gegen Wilhelm gekämpft.«
    »Eben deshalb. Dabei sind einige seiner Ländereien in Mitleidenschaft gezogen worden, und er hat vom Kurfürsten Entschädigung gefordert.«
    »Und deswegen raubt er die Prinzen? Um eine Entschädigung zu erpressen?«
    »O nein, nicht deshalb. Er ist schließlich kein Pfeffersack.« Siebenpfeiffer lächelte spöttisch, als er die beleidigte Miene von Hieronymus bemerkte. »Entschuldigt, Kaufmann, aber Ihr denkt eben in diesen Kategorien. Für einen Mann wie Ritter Kunz zählen andere Werte mehr als der Verlust des
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