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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne
Autoren: Susan Hastings
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Es wird keine Hochzeit geben. Den Mann für meine Tochter suche immer noch ich aus.«
    »Aber habt Ihr ihm nicht die Hand Eurer Tochter versprochen? Preller hat sogar schon mit dem Propst gesprochen und den Termin festgelegt. Er ist in sechs Tagen.«
    Die Gesichtsfarbe des Bürgermeisters verdunkelte sich zusehends.
    »Dieser unverschämte Kerl! Er hat mich übertölpelt.«
    »Das solltet Ihr aber nicht so laut sagen«, mahnte ein anderer Ratsherr. »Ein Bürgermeister, der sich übertölpeln lässt, ist kein guter Bürgermeister. Er könnte sich ja auch in anderen Dingen übertölpeln lassen.«
    Die anderen Ratsherren nickten zustimmend.
    »Ich werde dem Preller meine Meinung sagen«, tönte der Bürgermeister und stürmte zum Tor.
    Mit einem Ruck riss er es auf. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er das Gebäude gegenüber, das Handelshaus Preller. Er straffte sich, ballte die Hände zu Fäusten und stapfte mit großen Schritten quer über den Marktplatz.
    Die Buden waren alle belegt; der Stadtrat hatte zu Ehren des Besuchs des Kurfürsten extra einen Markt genehmigt. Musikanten und Gaukler waren ebenfalls in der Stadt geblieben. Eine Hochzeit war ein lohnendes Geschäft, und das wollten sie sich keinesfalls entgehen lassen. Sie spendeten dem Bürgermeister Beifall, der jedoch davon keine Notiz nahm. Wutentbrannt wummerte er mit den Fäusten gegen die Tür von Prellers Haus. Eine Magd öffnete erschrocken.
    »Wo ist er, dieser Mädchenverführer?«, schrie er.
    »Wen meint Ihr, Herr Bürgermeister?«
    »Ach, geh weg«, schnaubte er und schob die Magd einfach beiseite. Im Hintergrund erschien Hieronymus. Ein Lächeln flog über sein Gesicht. »Willkommen, Schwiegervater.«
    »Was erlaubt Ihr Euch, Preller? Niemals gebe ich mein Einverständnis zu dieser Hochzeit. Wie kommt Ihr darauf, in der Stadt zu verbreiten, dass Ihr Elisabeth heiratet?«
    »Weil ich das Einverständnis bereits von Euch habe. Gestern habt Ihr mir die Hand Eurer Tochter gegeben, vor Zeugen im Rathaus.«
    »Gestern zählt nicht; gestern war ein Unglückstag. Die beiden jungen Prinzen wurden entführt.«
    »Wollt Ihr damit sagen, dass Euer Wort nicht zählt, Bürgermeister? Das wird aber den Rat interessieren. Was soll Leipzig mit einem Bürgermeister, der sein Wort bricht? Das könnte Euch das Amt kosten.«
    »Wollt Ihr mir drohen, Preller? Das könnte Euch den Kopf kosten. Außerdem habe ich überhaupt keinen Sinn für Freudenfeiern, solange die Prinzen verschleppt bleiben. Noch weiß niemand, wer die Übeltäter sind. Solange es keine gute Nachricht aus dem Fürstenhaus gibt, denke ich nicht daran, Elisabeth zu verheiraten. Mit Euch schon gar nicht.«
    »Ihr vergesst, dass das Handelshaus Preller eines der bedeutendsten Leipzigs ist, Bürgermeister. Was wäre Leipzig ohne seine Kaufleute? Schließlich machen wir die Stadt reich und statten damit auch Euer Amt aus.«
    Der Bürgermeister stellte sich auf die Zehenspitzen, da er einen halben Kopf kleiner als Hieronymus war, und fixierte ihn aus seinen zum Spalt verengten Augen. Beinahe berührten sich ihre Nasenspitzen.
    »Ich lasse mich von Euch nicht erpressen, Preller. Ihr bekommt Elisabeth nicht.«
    »Und ich lasse mich nicht von Euch herabwürdigen, Bürgermeister. Für Elisabeth gibt es keine bessere Partie als mich.«
    »Ich habe andere Sorgen, als mich um die richtige Partie für Elisabeth zu streiten. Kümmert Ihr Euch um Euren Handel, ich kümmere mich um das Wohl der Stadt. Und Elisabeth lasst aus dem Spiel.« Er drehte sich um und stapfte wütend wieder zurück über den Marktplatz.
    »Auch dann nicht, wenn ich Euch sage, wer die Prinzen entführt hat?«, rief ihm Hieronymus hinterher.
    Der Bürgermeister stockte mitten im Schritt. Langsam drehte er sich um. Hieronymus stand mit triumphierender Miene in der Tür seines Hauses, die er mit seinem Körper fast gänzlich ausfüllte.
    Trotzig reckte der Bürgermeister das Kinn vor. »Auch dann nicht.« Er stapfte unbeirrt hinüber zum Rathaus. Vor dem Tor blickte er über die Schulter. Preller starrte immer noch zum Rathaus hinüber. Der Bürgermeister drohte ihm mit der Faust, dann schlug die schwere Eichentür hinter ihm zu.
    Die Leute auf dem Marktplatz, die Zeugen dieser Szene geworden waren, johlten, pfiffen, rissen derbe Scherze und applaudierten.
    Hieronymus schloss die Tür. Im Haus lief er wütend auf und ab. Er gab ja zu, die unübersichtliche Situation ausgenutzt zu haben. Das änderte aber nichts daran, dass der
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