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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne
Autoren: Susan Hastings
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heftig, dass Hieronymus befürchtete, sein Kopf würde platzen.
    »Schrecklich, dieser Pöbel«, klagte der Gelehrte neben ihm. »Wälzt sich mit den Schweinen im Dreck. Was muss unser Kurfürst nur von uns denken? Schließlich ist Leipzig auch eine Stadt der Wissenschaften und der Kunst.«
    »Lasst doch dem Pöbel seine Freude an so einem Tag. Und wenn’s zwei Schweine im Dreck sind«, erwiderte Hieronymus lachend. »Außerdem ist der Kurfürst noch gar nicht da.«
    Zu ihrer aller Überraschung eilte jedoch die schöne Elisabeth herbei und zu dem Unglücklichen hin. Sie war die Einzige, die nicht über sein Missgeschick lachte. Sie raffte rasch mit einer Hand ihre Röcke, um die andere dem Gestrauchelten zu reichen und ihm auf die Beine zu helfen. Ungläubig starrte der Gaukler sie an und nahm zögernd die dargereichte Hand. Umständlich rappelte er sich hoch, um gleich darauf auf die Knie zu fallen und Elisabeths Rocksaum zu küssen.
    »Erhebe dich«, sagte sie zu ihm. »Deine Bestimmung ist, den Menschen Freude zu bereiten und nicht, vor ihnen auf die Knie zu fallen.«
    In den Augen des Mannes glitzerte es verdächtig, und er strich verlegen über seine Kleidung aus kunterbunten Flicken.
    »Ich glaube, sie hat uns beide beschämt«, flüsterte der Gelehrte Hieronymus zu.
    Der Kaufmann kam nicht mehr dazu zu antworten. Wieder erschollen Fanfaren, diesmal von der anderen Seite des Marktplatzes, wo eine der Straßen vom südlichen Stadttor mündete. Die Wachen meldeten die Ankunft des Kurfürsten.
    Das aufgeregte Murmeln schwoll an, und alle reckten die Köpfe, um einen Blick auf den Kurfürsten und sein Gefolge zu erhaschen. Der Lärm steigerte sich, als die Soldaten der Vorhut die Menschenmenge auseinander trieb, damit eine genügend breite Gasse blieb. Von hinten drängten die Neugierigen nach, und es gab ein Schieben und Schubsen, ein Schreien und Stöhnen, Jubel und Beifall. Kinder schlüpften zwischen den Beinen der Erwachsenen hindurch, Taschendiebe taten es ihnen gleich und erleichterten Geldbörsen und Beutel.
    Pferdehufe klapperten über das Kopfsteinpflaster, und vom Peterstor her zog der hochherrschaftliche Zug, der Kurfürst mit seinem farbenprächtigen Gefolge, nach Leipzig ein.
    Der Kurfürst fühlte sich Leipzig als seiner Geburtsstadt verbunden, hatte er doch in den Mauern dieser Stadt vierundzwanzig Jahre zuvor den heiligen Bund der Ehe mit der Habsburgerin Margarethe, Erzherzogin von Österreich, geschlossen. Es war der Beginn einer engen Verbindung der Wettiner mit den Habsburgern. Auch heute führte der Kurfürst eine stattliche Abordnung von Österreichern in seinem Gefolge mit.
    Kurfürst Friedrich, den das Volk den Sanftmütigen nannte, ritt auf einem prächtigen Schimmel. Er trug einen pelzbesetzten Umhang und sein ergrautes Haar wehte im Rhythmus seiner Bewegungen. Sein hageres, von Falten durchzogenes Gesicht schaute ernst und hoheitsvoll.
    Der Jubel wogte ihm entgegen, und wo er vorbeiritt, verbeugten sich die Menschen tief und ehrfurchtsvoll. Es war wirklich eine große Ehre, dass der Kurfürst die Stadt besuchte. Nicht nur das Volk in den Gassen und auf dem Marktplatz, sondern auch die Ratsherren, die freien Bürger und vor allem der Klerus wuss­ten das zu schätzen.
    Der Propst des Thomasklosters, ein noch junger, aber zur leiblichen Fülle neigender Mann mit Doppelkinn und dicken, aufgeworfenen Lippen, warf dem Bürgermeister einen tadelnden Blick zu.
    »Den Dienern des Herrn gebührt stets der Vortritt vor den Dienern des Geldes«, knurrte er und schob sich entschlossen vor die Ratsherren. Die ihn begleitenden Mönche taten es dem Propst gleich und murmelten dabei eifrig Gebete.
    »Wenn er auf die gefüllte Stadtkasse anspielt, so sollte er lieber schweigen, denn er profitiert nicht wenig davon«, murmelte der Gelehrte neben Hieronymus.
    Laut wagte er das nicht zu äußern. Schon wegen geringerer Vergehen erließ die Kirche harte Strafen, und der Propst war ein eifriger Verfechter unnachgiebiger Strenge.
    Der Vorsteher des Thomasklosters war ein mächtiger Mann. Ihm oblag nicht nur die Aufsicht über die anderen Klöster der Stadt, sondern er führte auch in seinem eigenen Haus ein strenges Regiment. Und er sorgte dafür, dass die Klöster immer reicher wurden, nicht zuletzt durch die hochherzigen Gaben reicher Kaufleute der Stadt.
    Auch Hieronymus Preller war nicht kleinlich mit Spenden und erhoffte so den Segen der Kirche für all seine Handelsgeschäfte. Er war kein
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