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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne
Autoren: Susan Hastings
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Hieronymus kam gelinde Panik auf bei dem Gedanken, dass diese Elfe im Bett des alternden Kurfürsten landen sollte.
    Währenddessen bat der Bürgermeister den Kurfürsten in den Ratssaal hinein, wo das Bankett stattfinden sollte. Stolz präsentierte er die lange Tafel aus edlem, poliertem Holz, geschmückt mit erlesenen Stücken aus dem Ratssilber. Prunkstücke waren zwei silberne Leuchter und mehrere Pokale.
    Ein etwas erhöhter Tisch stand allein dem Kurfürsten zu. Die Zimmerleute hatten ihn auf ein Podest gestellt, um den Unterschied zu den bürgerlichen Ratsherren, aber auch dem Klerus zu verdeutlichen. In der Sitzfolge zeigte sich die soziale Hierarchie der Anwesenden.
    Der Kurfürst wandte sich nach Elisabeth um und streckte die Hand nach ihr aus.
    »Erweist mir die Freude und speist an meiner Seite, schönes Kind«, sagte er huldvoll. Vor Freude und Verlegenheit errötete sie heftig. Sie wusste nicht, ob sie das Ansinnen annehmen oder ­verschämt ablehnen sollte. Ihr Vater stieß sie mahnend in die Rippen.
    »Es ist mir eine große Ehre«, hauchte sie mit gesenktem Blick. Dann legte sie ihre kleine, schmale Hand auf die des Kurfürsten.
    Kaufmann Preller blieb der Zutritt zum Ratssaal verwehrt. Er reckte den Hals und konnte sehen, wie Elisabeth ihre Hand dem Kurfürsten reichte. Am liebsten wäre er hineingestürmt, um seine Angebetete vor dem Zugriff des Landesvaters zu schützen. Aber er war nur ein Kaufmann, ein Bürgerlicher, wenn auch ein wohlhabender. Es stand ihm nicht zu, in irgendeiner Weise seine eigenen Absichten kundzutun. Elisabeth war für ihn im Moment unerreichbar.
    Als die Rathaustür geschlossen wurde, wandte Hieronymus sich ab. Seine Enttäuschung verbergend, schlenderte er über den Markt und betrachtete naserümpfend die feilgebotene Ware.
    Kurfürst Friedrich der Sanftmütige nahm seinen Ehrenplatz an der Tafel ein und warf einen hocherfreuten Blick auf Elisabeth, die neben ihrem Vater saß. Der Bürgermeister strahlte das Selbstbewusstsein eines freien Bürgers aus, und gleichzeitig spürte man die tief in der Seele der Menschen verwurzelte Unterwürfigkeit vor dem Adel.
    Es war wohl beides, das ihn und seine Ratsherren dazu veranlasst hatte, die Tafel mit dem Ratssilber zu decken und die erlesensten Speisen auffahren zu lassen.
    Die ersten Dienstboten trugen Schüsseln mit einer legierten Suppe aus jungen Erbsen mit püriertem Weißbrot und Ei herein, die einen verführerischen Duft verbreitete. Ein Bediensteter hielt eine Platte mit Fleischstückchen von Kalb und Ente, ein zweiter legte einige Stückchen in die Schüssel, die vor dem Kurfürsten stand, der nächste goss die Suppe darüber.
    »Diese Suppe ist mit Safran gebunden, wie Ihr an der Farbe seht, Durchlaucht«, erklärte der Bürgermeister eifrig.
    Der Kurfürst nahm den silbernen Löffel und kostete vorsichtig. Gespannt starrten ihn alle Ratsherren an.
    »Ja, köstlich«, erwiderte er schließlich. »Safran ist mir selbstverständlich geläufig.«
    Der Bürgermeister dienerte, während die Lakaien an die übrigen Gäste Fleisch und Suppe austeilten. Außer dem Kurfürsten, der allein eine silberne Schüssel bekam, mussten die anderen Gäste sich zu zweit eine Schüssel teilen und auch die Trinkbecher. Immerhin erhielt jeder Gast an der Tafel einen Löffel, weil der Leipziger Rat sich einige Löffel bei reichen Bürgern geliehen hatte. Wie allgemein üblich, brachten die Gäste ihre Messer mit. Nur dem Kurfürsten wurde ein besonders wertvolles, ziseliertes Messer vorgelegt.
    Vor dem Ehrengast stand der reich verzierte Tafelaufsatz, der das Salzfässchen und die Gewürze enthielt. Er besaß die Form eines Schiffes und war verziert mit Emaileinlagen. Auch das Salzfass wies reliefartige Verzierungen auf. Der Kurfürst betrachtete es wohlwollend.
    »Halte dich beim Essen zurück«, raunte der Bürgermeister seiner Tochter zu. »Bei feinen Leuten essen die Damen immer nur ganz wenig.«
    Elisabeth warf dem Kurfürsten, der mit gutem Appetit seine Suppe verzehrte und mit dem spitzen Messer das Fleisch aus der Schüssel fischte, einen verstohlenen Blick zu.
    »Warum? So etwas bekomme ich wahrscheinlich nie wieder zu essen. Das muss ich doch ausnutzen.«
    Der Bürgermeister rollte mit den Augen.
    »Herrgott noch mal, wir sitzen mit dem Kurfürsten an einer Tafel, Elisabeth. Da musst du dich gut benehmen«, zischelte er.
    In ununterbrochener Reihenfolge servierten die Diener Kapaun in weißem Pudding, Bratenplatten mit Zicklein und
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