Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Zügen war Julio narkotisiert … der junge Assistent präparierte die Vene frei und trat zur Seite.
    Berwaldt zog aus dem runden Gefäß seine Spritze auf. Fast spöttisch sah ihm Prof. Panterosi zu und klopfte gegen den Glasbehälter.
    »Verdünnte Tinte?« fragte er. Niemand lachte, nur Berwaldt lächelte.
    »Es wäre herrlich, wenn es so einfach ginge.«
    Er beugte sich über den kleinen Affen, stach die feine Nadel in die Vene, zog ein paar Tropfen Blut an und drückte dann ganz langsam die hellblaue Flüssigkeit in die Blutbahn des Tieres.
    »Was nun?« Prof. Panterosi lehnte sich an die Kante des Seziertisches.
    »Wir werden bei Julio dreimal injizieren. An drei aufeinanderfolgenden Tagen, das genügt bei ihm. Immer 1 ccm.«
    »Und dann?«
    »Dann warten wir.«
    »Bis er tot ist.«
    »Ich hoffe, daß er weiterleben wird.«
    »Er hofft es!« Prof. Panterosi drehte sich zu den anderen um. »Haben Sie das gehört, meine Herren! Der junge Herr injiziert blaue Tinte in eine Vene, und ein inoperabler, hoffnungsloser Krebsfall soll weiterleben! Und er sagt es, als sei es selbstverständlich.« Er wandte sich zu Berwaldt um und klopfte ihm wieder mit den Knöcheln gegen die Brust. »Junger Mann, wenn die Krebsbehandlung in Zukunft so einfach wird, schließen wir die Universitäten und Kliniken und bilden nur noch Spritzengeber aus! Das ist ja lächerlich –« Er wandte sich ab und verließ grußlos den Sezierraum. Der Assistent, die anderen Ärzte, Cravelli, Patrickson und auch Dr. Berwaldt sahen ihm betroffen nach.
    »Er ist tatsächlich wütend!« sagte Cravelli leise. »Es ist auch unbegreifbar, was Sie da sagen, Berwaldt.«
    »Ich habe selbst einige Zeit gebraucht, bis ich es begriff. Aber es wird so sein …« Berwaldt wandte sich an den Assistenten. Er hatte ein Pflaster über den Veneneinstich geklebt; der Tierwärter trug den Affen Julio gerade hinaus zu den Käfigkammern. »Bitte, beachten Sie eins, Kollege: Es werden sich bald unter der Haut große Quaddeln bilden, die sich zu Ödemen ausweiten. Wenn diese Ödeme prall voll sind, öffnen Sie sie, lassen die Flüssigkeit ablaufen und legen einen kleinen Drain ein, um die Abflußstellen offen zu halten. Aus diesen sich bildenden Ödemen fließen die Rückstände der zerstörten Carcinomzellen ab. Während dieser Zeit geben sie bitte keine eiweißhaltige Kost, sondern viel Kohlehydrate, Rohgemüse und milchsaures Gemüse. Und viel Flüssigkeit! Der Körper muß regelrecht durchgespült werden.«
    »Toll!« sagte Cravelli ehrlich. »Wenn das alles wahr ist –«
    Der Assistent schrieb sich die Anweisungen Berwaldts in einem Berichtsbuch auf. Dann sah er seinen deutschen Kollegen nachdenklich an. Man sah, daß er zögerte, etwas auszusprechen, aber dann sagte er es doch.
    »Der Herr Professor weiß nichts davon … aber sollten wir nicht außer Julio auch noch andere Tiere behandeln? Ein mehrfacher Erfolg – hoffen wir es, Kollege – wird ihn eher überzeugen. Wir haben noch 92 krebskranke Tiere in den Ställen …«
    »Es wird auch so gehen!« James Patrickson drängte sich nach vorn. Nur 10 Milligramm hat er bei sich, dachte er. Wenn er sie alle wegspritzt, bleibt uns nichts mehr in der Hand! Unsere Versuche werden anders sein als diese lächerlichen Injizierungen. Bei unseren Interessenten geht es um mehr als 1 ccm pro Tag! Wir könnten einen Liter brauchen … oder ein Faß voll … Es geht um andere Dinge als um Lebensverlängerung einiger Hunderttausend.
    »Ich halte es aber für besser –«, sagte der Assistent. Patrickson winkte schroff ab.
    »Panterosi wird sich mit diesem Demonstrationsfall zufrieden geben! Wir können ja später in größerem Maß fortfahren! Es geht hier nur darum, daß man irgendeine Reaktion sieht … und die wird man sehen!«
    »Wie Sie wollen, meine Herren!« Der Assistent hob die Schultern. »Ich wollte dem deutschen Kollegen nur behilflich sein.«
    Dr. Berwaldt zögerte. Vier Heilerfolge überzeugten mehr als einer, das war klar. Die stark verdünnte Lösung reichte für viele Versuche aus. Niemand hier in diesem Kreise ahnte ja, wie ungeheuer giftig das Präparat in seiner Konzentration war. 10 Milligramm reiner Wirkstoff, verdampft auch noch, reichten aus, einige hundert Menschen zu töten.
    Sergio Cravelli drängte sich vor. »Wir sollten wirklich erst den einen Versuch abwarten!« sagte er laut. »Dottore Berwaldt hat im Rahmen unserer Forschung noch Gelegenheit genug, zu demonstrieren. Gehen wir also, meine Herren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher