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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben
Autoren: Raymond E. Feist
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nicht vergeben, daß ich ihm eine Jomach-Frucht mit einem Stein gab.«
    »Er hat dir vergeben«, unterbrach ihn Mara. »Doch seither ist er etwas vorsichtiger gegenüber deinen Tricks, was sehr vernünftig ist. Die Cho-ja haben nicht den gleichen Sinn für Scherze wie Menschen.« Sie warf Hokanu einen Blick zu. »Tatsächlich zweifle ich daran, daß sie unseren Humor verstehen.«
    Ayaki zog eine Grimasse, und der Rappe unter ihm bockte. Die Sänftenträger wichen vor den tänzelnden Hufen ein wenig zur Seite, und der Ruck weckte den kleinen Justin. Er erwachte mit wütendem Geschrei.
    Das schwarze Pferd scheute bei dem Krach. Ayaki hielt das Tier mit sicherer Hand fest, doch der feurige Wallach trat ein paar Schritte zurück. Hokanus Gesicht blieb gelassen, obwohl er den Drang verspürte, über die stürmische Bestimmtheit und Beherrschung seines Sohnes zu lachen. Justin trat seiner Mutter kraftvoll in den Bauch. Sie beugte sich vor, um ihn hochzunehmen.
    Dann schwirrte von hinten etwas an Hokanus Ohr vorbei und brachte die Vorhänge der Sänfte zum Flattern. In der Seide war genau dort ein winziges Loch zu erkennen, wo noch eine Sekunde zuvor Maras Kopf gewesen war. Hokanu warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen seine Frau und das Kind; er wandte den Kopf, um in die andere Richtung zu schauen. In den Schatten der Büsche am Rande des Pfads bewegte sich etwas Schwarzes. Im Kampf geschärfte Instinkte veranlaßten Hokanu ohne langes Nachdenken zum Handeln.
    Er stieß seine Frau mit dem Kind aus der Sänfte, seinen Körper weiterhin schützend über sie gebeugt. Sein plötzlicher Stoß ließ die Sänfte umstürzen und gewährte ihnen zusätzliche Deckung. »Der Busch!« rief er den Trägern zu, die sich rasch verteilten.
    Die Wachen zogen ihre Klingen, bereit, ihre Mistress zu verteidigen. Doch da sie kein deutliches Ziel sahen, das sie angreifen konnten, zögerten sie.
    Aus dem Gewirr von Kissen und zerrissenen Vorhängen und über den Lärm von Justins Geschrei hinweg rief Mara verwirrt: »Was –«
    Hokanu wandte sich an die Wachen. »Hinter den Akasi-Büschen!« schrie er.
    Das Pferd stampfte auf, als wäre es von einer Stechfliege gestochen worden. Ayaki spürte, wie der Wallach unter ihm erbebte. Das Tier legte die Ohren an, dann schüttelte es die schwarze Mähne, während der Junge versuchte, es mit den Zügeln zu beruhigen. »Ruhig, Großer. Ganz ruhig.« Die Warnung seines Stiefvaters hörte er nicht; er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Pferd in den Griff zu bekommen.
    Hokanu warf einen Blick über die Sänfte. Die Wachen durchkämmten jetzt die Büsche, die er gemeint hatte. Als er sich umwandte, um nach einem möglichen Angriff von der anderen Seite Ausschau zu halten, sah er Ayaki bei dem verzweifelten Versuch, ein Pferd zu beruhigen, dessen Aufregung inzwischen gefährlich geworden war. Im Sonnenlicht aufblitzender Lack verriet einen winzigen Pfeil, der aus der Flanke des Wallachs ragte. »Ayaki! Spring ab!«
    Das Pferd trat wild um sich. Der Pfeil in seiner Flanke tat seine Wirkung, und Nervengift strömte durch die Adern des Tieres. Es rollte mit den Augen, verdrehte sie, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Der Wallach bäumte sich auf den Hinterbeinen auf, und ein beinahe menschlicher Schrei drang aus seiner Kehle.
    Hokanu sprang von der Sänfte. Er griff nach den Zügeln des Wallachs, doch die wild trampelnden Hufe zwangen ihn zurück. Er wich aus, versuchte es noch einmal, bekam die Zügel aber wieder nicht zu fassen, als das Pferd sich um die eigene Achse zu drehen begann. Er war vertraut genug im Umgang mit Pferden, um zu wissen, daß dieses hier wahnsinnig geworden war, und so schrie er den Jungen an, der sich mit beiden Händen am Nacken des Tieres festklammerte.
    »Ayaki! Spring ab! Sofort, Junge!«
    »Nein!« rief das Kind, nicht im Trotz, sondern voller Mut. »Ich kann ihn beruhigen!«
    Hokanu griff erneut nach den Zügeln; seine Furcht verdrängte jeden Gedanken an seine eigene Sicherheit. Ayakis Behauptung wäre möglicherweise gerechtfertigt gewesen, wenn das Tier einfach nur Angst gehabt hätte. Doch Hokanu hatte einmal die Wirkung eines vergifteten Pfeils gesehen; er erkannte das bebende Fleisch und den plötzlichen Mangel an Koordination sofort als das, was es war: die Symptome eines rasch wirkenden Gifts. Hätte der Pfeil Mara getroffen, wäre der Tod innerhalb weniger Sekunden eingetreten. Bei einem Tier, das zehnmal größer war als sie, würde das Ende länger dauern und
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