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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut
Autoren: Ulrich Ritzel
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und läuft und holpert, seine schwarzen Straßenschuhe drücken ihn, und seine Jacke, die er zusammengeknüllt hält, schlägt ihm gegen das Hosenbein.

     
    Birgit reibt sich die Schulter. Was für ein gestörter Mensch! Zu allem Überfluss hat sie Kopfschmerzen, es ist drückend heiß geworden, eine Dunstglocke hat sich über Stadt und Flusstal gelegt. Hubert ist noch im Droste geblieben, um für das Schulfest zu proben. Ich lass dir den Wagen, hatte sie gesagt, und geh im Schafheutle eine Kleinigkeit essen. Aber dann hatte sie doch keinen Appetit und war durch die Hauptstraße geschlendert, bis sie vor einem Plakat stehen geblieben war. Die Schwetzinger Schlossfestspiele bringen am Sonntag Shakespeares Was ihr wollt , das ist weder Huberts Geschmack noch kommt er auf den Gedanken, dass das vielleicht der ihre sein könnte. Sie hat sich schon wieder weggedreht, als dieser Rüpel sie unversehens rempelt.
    Der Morgen ist schön, denkt sie, und du bist fröhlich und freust dich an den Rosen, und auf einmal siehst du nur noch Mehltau. Vielleicht liegt es an dir? Birgit überlegt. Welchen objektiven, nachprüfbaren Grund hat sie eigentlich? Nur einen. Hubert hatte nach Bettina gefragt.
    Na und?
    Vielleicht hatte er einen ganz zufälligen harmlosen Anlass. Gut möglich, dass er sie heute zur Probe eingeteilt hat. Sie hätte ihn doch einfach danach fragen können. Vielleicht hat er ein dramaturgisches Problem mit seinem Singspiel, vielleicht gerade mit diesem albernen Kann denn Liebe Sünde sein , warum nimmt sie nicht mehr Anteil daran? Schließlich hat sie ihn auf dieses Projekt gebracht.
    Und dann dieser Carius römisch zwo. Ist es nicht sehr einleuchtend, dass Miss Babyspeck sich einen dieser flotten jungen Schnaftis aussucht? Praktikum bei der Versicherungswirtschaft, BWL also, zweisitziger Roadster vom Vater zum Abitur, auch wenn ich nicht weiß, wie sie es darin treiben, jedenfalls hat das mehr Chic als im angejahrten Peugeot des Lehrerehepaars Höge, also wirklich. Trotzdem wird sie sich die Sitzpolster nächstens einmal genauer ansehen.
    Schluss jetzt. Sie wird die Straßenbahn nehmen, zu Hause eine Tablette schlucken und erst einmal schlafen.

     
    »Ach das«, sagt der Baron, ein Sektglas in der einen und ein Brötchen mit Räucherlachs in der anderen Hand, »ich dachte schon, dass Sie danach fragen würden.« Der Baron arbeitet im Pressereferat der Universität, gelegentlich kann Franziska etwas von ihm erfahren, was brauchbar ist, vielleicht hat er ein unterdrücktes Mitteilungsbedürfnis, weil die Leute sonst nur ungern mit ihm reden, es sei denn am Telefon.
    »Es ist sein Sohn«, fährt der Baron fort und nimmt einen Schluck Sekt, »Junior war an einer dieser NRW-Unis auf der Vorschlagsliste für irgendwas schrecklich Alttestamentarisches, bei dem Vater ist es ein Wunder und dann irgendwo auch wieder keins, dass der Sohn Theologe geworden ist, und dann hat es eine Mitbewerberin gegeben, wieso studieren Frauen so etwas? Aber das Besetzungsgremium hat entschieden, gleiche Qualifikation, also kommt die Frau zum Zug.«
    »Und jetzt übt der Senior Rache?«
    »Auge um Auge, Buch um Buch. Steht schon im Alten Testament, hab ich mir sagen lassen.«
    »Danke«, sagt Franziska. »Wenn ich einen Stein finde, schmeiß ich ihn in Ihren Garten.«
    »Wer schmeißt heut noch mit Steinen. Moralkeulen sind angesagt . . .«
     
    Über den Kies der kleinen Grünanlage hüpfen graubraun gefiederte Spatzen. Sie sehen staubig aus und suchen zwischen Zigarettenkippen nach Brotkrumen. Der Mann sitzt auf einer Bank. Eine Taube lässt sich auf dem Kies nieder, wenig später folgt ein Täuberich und beginnt, sie gurrend zu umkreisen. Der Mann versucht durchzuatmen. Irgendwie ist er hierher gekommen, es war vor ein paar Minuten, vielleicht war es auch schon länger her, bleiben kann er hier nicht. Wer sagt es denn, dass ihm die Marionette nicht folgen wird und auf ihn zeigen will, wieder und wieder?
    Dann fällt es ihm ein. Er wollte in das Kaufhaus. Es liegt auf der Südseite des Bismarckplatzes, man muss nur die Straßenbahngleise überqueren. Er zwingt sich aufzustehen, und trotz
der Hitze zieht er das zerknautschte Jackett an, das neben ihm auf der Bank liegt. Wenn man mit der Jacke über dem Arm in ein Kaufhaus geht, werden die Detektive misstrauisch.
    An den Auslagen mit Sommerkleidern vorbei betritt er die Eingangshalle, die kühle Luft, die aus der Klimaanlage bläst, lässt ihn frösteln. Suchend sieht er sich um, das
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