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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut
Autoren: Ulrich Ritzel
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diesmal hatte ich etwas, womit ich Schatte unter Druck setzen konnte. Denn er wollte ja den Schlüssel.«
    »Und ein paar Tage später hatten Sie den Reif wieder?«
    »Ja«, antwortet Franziska. »Ein paar Tage später. Und dann habe ich ihm den Schlüssel gegeben.«
    Berndorf wendet sich an Birgit. »Wollen Sie uns nun nicht Ihre Geschichte erzählen? Den Reif kennen Sie doch. Sie hatten ihn von Schatte bekommen, als Geschenk.«
    Birgit blickt abweisend zu ihm hinüber. Rot zeichnen sich die Backen in ihrem Gesicht ab. »Sie reden über Dinge, von denen ich leider überhaupt nichts weiß. Könnte es sein, dass es diese Dinge ganz einfach nicht gegeben hat?«
    »Er hat Ihnen den Armreif geschenkt«, wiederholt Berndorf. »Und ich bin sicher, dass er Ihnen das Ding nicht einfach auf den Nachttisch gelegt hat. Wie die Luft zum Atmen braucht Schatte das Gefühl, die Welt drehe sich um ihn, er sei der Mittelpunkt von allem. Wenn er schenkt, muss es ein besonderes
Geschenk sein, eines, das kein anderer so schenken kann.«
    »Schatte hat mir einmal Schmuck geschenkt«, sagt Birgit. »Eine indische Silberarbeit. Nicht das da . . .« Ohne hinzusehen macht sie eine Handbewegung zu Franziska. »Er war Ende der Sechzigerjahre in Indien gewesen, irgendwo im Himalaja hat er einmal ein Kind aus einem reißenden Fluss gerettet, und die Mutter hat ihm zum Dank eine . . . eine silberne Kette geschenkt.«
    »Sie haben sie nicht mehr?«
    »Nein«, antwortet Birgit, »ich habe sie nicht mehr. Und jetzt würde ich ganz gerne gehen.«
    »Schatte kann nicht schwimmen«, sagt Franziska sanft.
    Berndorf betrachtet Birgit. »Ich kann Sie gut verstehen. Sie wollten an das Geschenk glauben, an das Besondere, an die Geschichte, die er Ihnen erzählt hat. Denn diese Geschichte unterschied Sie von den vielen anderen, die Schatte gebraucht und benutzt hat . . .«
    Er steht auf und wendet sich dem Grab zu. »Nur – irgendwann war der indische Silberschmuck weg, irgendwer hatte ihn aus Ihrem Zimmer genommen, die grundsätzliche Laxheit in Sachen privaten Eigentums! Alles war zu ertragen, nur nicht, dass Sie den Schmuck an einem der nächsten Tage wiedergesehen haben, Franziska trug ihn, lachend, vergnügt, fröhlich, sie war verliebt und glücklich und lief mit dem Schmuck am Arm an Ihnen vorbei . . . Und Sie? Sie sehen das silberne Ding und denken, er hat es ihr gegeben, er geht zu ihr zurück, ich war nur ein Zeitvertreib, der Entreakt, bis man sich wieder versöhnt hat . . .«
    »Es war in der Kneipe«, bemerkt Franziska. »Sie saß mir schräg gegenüber. Als ich ihren Blick sah, hätte ich mir alles denken müssen. Nur hab ich damals nicht darauf geachtet.«
    »Ich war für dich nur ein verschrecktes, kleines, blaustrümpfiges Huhn, nicht wahr?«, bricht es unvermittelt aus Birgit heraus. »Eine von seinen Groupies. Eine, die ...« Sie lässt den Satz unvollendet.

    »Das andere liegt auf der Hand«, sagt Berndorf. »Um nicht zu ersticken, brauchten Sie Ihre Rache. Und als Sie im Radio von dem Banküberfall hörten, hatten Sie auch schon ihre Waffe. Sie wussten, dass Schatte in diesen Überfall verstrickt war. Und so haben Sie bei der Polizei angerufen. Sie haben uns, die Bullen, auf Franziska gehetzt. Sie dachten, Schatte ist dort. Vielleicht haben Sie sich sogar ausgerechnet, dass es genau so kommen würde, wie es gekommen ist. Und alles hat geklappt. Fast alles. Künstlerpech, dass wir dummen Bullen den falschen Mann umgebracht haben . . .«
    Nun steht auch Birgit auf. Plötzlich hat sie ihr Gesicht wieder in der Gewalt. »Jetzt ist es genug. Dies alles geht mich nichts an, und ich habe nichts damit zu tun. Allerdings sollte ich Ihnen doch sagen, dass Ihre moralischen Maßstäbe noch fragwürdiger sind, als ich dachte. Offenbar sind Sie der Ansicht, Sie wären gerechtfertigt, wenn Sie damals Schatte hätten erschießen lassen . . . Sie verstehen, dass mir diese Polizisten-Moral unerträglich ist.« Sie wendet sich Franziska zu, und ihr Gesicht nimmt den Ausdruck gütiger Besorgtheit an. »Ich möchte dir wünschen, dass du dich aus dieser schlimmen Verstrickung lösen kannst und die Dinge wieder klarer siehst.« Dann blickt sie sich um, als suche sie den Weg zum Ausgang. »Gehen Sie rechts«, sagt Berndorf. Birgit nickt noch einmal kurz, als sei nun alles gesagt, dann folgt sie dem Hinweis und geht an O’Rourkes Grab vorbei.
    »Noch etwas«, sagt Berndorf in ihrem Rücken. »Ihren Mann haben Sie doch auf ähnliche Weise fertig gemacht?
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