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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut
Autoren: Ulrich Ritzel
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Sie? Was tun Sie hier?«
    »Ich und mein Kollege sind Beamte im besonderen Einsatz, und mein Kollege ist schwer verletzt, ich glaube, sein Bein ist gebrochen.« Die Stimme ist nah und kläglich.
    »Noch einmal: Wer sind Sie?«
    Undeutliches Murmeln. Dann wird die Stimme wieder fester. »Mein Kollege ist Regierungsdirektor Weimer . . .«
     
    Es ist dunkel geworden in dem stillen Tal, und noch immer sitzen die drei Männer auf der Bank. Der Hund vor ihnen hat den Kopf auf die Pfoten gelegt und schläft. Manchmal träumt er und stößt ein kurzes Winseln aus.
    Schatte hat es aufgegeben, Fragen zu stellen. Mit nach vorne gekrümmtem Oberkörper sitzt er zwischen Berndorf und Seifert. Hoch über ihnen treiben graue Wolkenfelder unaufhaltsam nach Osten.
    Der Hund hebt den Kopf. Langsam stemmt er sich hoch, zuerst mit den Hinterläufen, dann streckt er die Vorderpfoten aus. Gähnend öffnet sich der Hunderachen.
    Dröhnendes Motorengeräusch nähert sich aus dem Tal. Scheinwerfer tasten über die Bäume, darüber flackert es blau. Berndorf runzelt die Stirn.

    »Es sind nicht die kurzen Wege, die zum Ziel führen«, sagt Seifert.
    Um die Kurve biegt ein großes rotes Tanklöschfahrzeug, ein Magirus-Deutz, Baujahr 1962, und hält vor ihnen. Die Tür, auf der blau und grün das Wappen der Freiwilligen Feuerwehr Wieshülen aufgebracht ist, öffnet sich, in der blauen Uniform eines stellvertretenden Ortskommandanten steigt Erwin Marz aus und legt grüßend die Hand an den Schirm der Uniformmütze.
    Berndorf und Seifert helfen Schatte in die Mannschaftskabine hinter dem Fahrerhaus. Dann setzen sie sich nach vorne. Felix berechnet kurz, dann folgt er mit einem überlegten Sprung.
    »Eigentlich dachte ich, du nimmst den Transporter vom Bauamt«, bemerkt der Prophet.
    »Ich hätt’ mit dem da morgen sowieso ins Oberschwäbische sollen«, erklärt Marz, »zum Jubiläum nach Gauggenried.«
    »Da wird morgen nichts gelöscht«, stellt der Prophet fest. »Was morgen ist, haben die Mannen im Wald zu tun.«
    »Und wir?«
    Der Prophet erklärt es ihm.
    »Nicht über Karlsruhe«, antwortet Marz und deutet auf das Autoradio, das er auf leise gestellt hat. »Bei Pforzheim ist der Schwarzwald auf die Autobahn gefallen. Da geht gar nichts mehr. Wir müssen es über Heilbronn versuchen . . .«
    Die Nacht zieht über das vom Sturm aus seiner samstagabendlichen Ruhe aufgestörte Land. Blaulicht zuckt über Autobahnen und Landstraßen, Polizei, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk machen sich daran, die vom Orkan blockierten Straßen freizuräumen und Eingeschlossene zu bergen und Umleitungen auszuschildern. Mit jaulenden Martinshörnern bahnen sich Krankenwagen die Fahrt über verstopfte Autobahnen, Ortskundige suchen sich Schleichwege und bleiben vor umgestürzten Straßenbäumen stecken. Stunden vergehen.
    Durch das Gewirr schiebt sich langsam und geduldig der
Magirus-Deutz der Feuerwehr Wieshülen, arbeitet sich durch die Stuttgarter Vororte und auf die Bundesstraße 27, wenn sie an einem Polizeiwagen vorbeikommen, legt der Fahrer grüßend die Hand an die Uniformmütze, hinter Stuttgart erreicht der Magirus-Deutz die Heilbronner Autobahn, biegt brummend ein und nimmt mit seinen 150 PS bedächtig Fahrt auf.
    Marz hat das Autoradio lauter gestellt, das ARD-Nachtprogramm spielt steinalte Schlager, Seifert will das Gerät leiser stellen, aber Berndorf legt ihm die Hand auf den Arm, denn während Marz den Magirus-Deutz durch die Hügel des Kraichgaus steuert, immer wieder überholt von wild sirrenden BMWs und Mercedes, singt Franz Josef Degenhardt die Ballade von P.T., dem Indianer aus Arizona, der es mit der Roten Rita Hilfe schafft, nicht nach Vietnam zu müssen . . .
    Über Frankreichs grüne Grenze
    Ziehen im Herbst viel bunte Vögel
    Und die wollen an das warme Mittelmeer
    Und auch P.T. der Apache zog mit ihnen
    Und er glich dem Bauern Pflimli
    Aus dem krummen Elsass sehr . . .
    Berndorf wirft einen Blick nach hinten, wo Professor Ernst Moritz Schatte nicht nach draußen schaut, sondern zusammengesunken auf der Mannschaftsbank hockt, den Arm in der Schlinge, scheinbar nichts hörend und nichts wahrnehmend.
    Nein, denkt Berndorf, du wirst keinen Futtermais in Frankreich anbauen.

Sonntag, 9. Juli
    Et Mme. Forestier regardait des yeux amoureux la belle suédoise, qui n’était habillée par qu’une superbe rivière de diamants, et elle commençait à rire . . .
    Birgit vergewissert sich, dass sie auch wirklich das Heft von Esther (prot.
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