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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut
Autoren: Ulrich Ritzel
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kurz. Puder auf Nase und Apfelbäckchen. Dunkelroter Lippenstift. »Voilà, mein Entführer . . .«
    Sie verlassen das Haus, Birgit schließt sorgfältig ab. Der Taxifahrer fährt los, kaum dass sie eingestiegen sind, ohne erst nach dem Ziel zu fragen.
    »Besuchen wir Ihren Freund von neulich?«, will Birgit wissen. »Wie geht es ihm denn überhaupt?«
    »Sie meinen Micha Steffens«, antwortet Berndorf. »Sie haben ihn aus dem Krankenhaus wieder entlassen. Er hatte eine Gehirnerschütterung, nicht weiter schlimm.«

    »Ich sollte doch vor ihm wiederholen, was ich über Schatte weiß und über den Banküberfall von damals. Übrigens« – ihr Gesicht wendet sich Berndorf zu und nähert sich dem seinen – »ist Schatte in Frankreich, er ist dort festgenommen worden, ich habe es gerade in den Nachrichten gehört, angeblich ist er in dieses komische Attentat verwickelt . . .«
    »Ich weiß«, antwortet Berndorf. »Wir haben ihn heute Morgen in der Polizeistation Wissembourg abgeliefert, das ist gleich hinter der französischen Grenze . . .«
    Für einen Augenblick schweigt Birgit. »Sehr praktisch«, sagt sie dann. »Und wer sind die geheimnisvollen Männer, die so etwas tun, außer Ihnen?«
    »Ein Hund war auch dabei«, antwortet Berndorf. »Das mit Steffens hat sich übrigens erledigt. Es ist so, wie Sie es gesagt haben. Schatte hat den Überfall auf die Landeszentralbank organisiert. Oder besser: getürkt . . .«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Berndorf erklärt es. Während er spricht und wie traumverloren ins Erzählen kommt und den Ablauf der letzten Tage zu schildern beginnt, fädelt sich das Taxi auf die Autobahn ein und fährt im dichten Sonntagnachmittag-Treiben Richtung Mannheim. Besorgt hört Berndorf sich selber zu und denkt, das wird etwas werden, bis ich diese Aussage den Kollegen gelöffelt habe . . . Der Taxifahrer verlässt die Autobahn, und sie erreichen Mannheim.
    Nein, keine Kollegen, denkt Berndorf. Aussage nur vor einem Bundesanwalt.
    »Schatte war ein Spitzel?«, fragt Birgit, als Berndorf seinen Bericht abgeschlossen hat. »Als er mich nach Mannheim geschleppt hat, die Banken ausbaldowern – da war ich schon verkauft und verratzt?«
    »In den Schuldienst sind Sie ja trotzdem gekommen«, antwortet Berndorf. »Beklagen Sie sich nicht. Die Schlapphüte waren noch gnädig . . .«
    »Ich fass es nicht«, sagt Birgit unbeeindruckt. »Dieser Kerl hat es auch noch angekündigt. Es gibt Schlimmeres als den
Spitzel, hat er gesagt. Ich hab es Ihnen ja erzählt. Und ich sitze daneben und höre es und begreife nicht, was es bedeutet . . .«
    Das Taxi rollt durch eine Allee und biegt dann nach rechts in eine kleine, von einer gut mannshohen Mauer gesäumten Seitenstraße ab. Der Wagen hält vor einem Einlass. Berndorf beugt sich nach vorne und bezahlt. Dann steigen sie aus. Berndorf bietet Birgit seinen Arm. Wie selbstverständlich nimmt sie ihn und geht mit Berndorf durch den Einlass, der sie in eine Art Park zu führen scheint.
    »Wo sind wir hier?«
    »Auf dem Hauptfriedhof.«
    Birgit will stehen bleiben und ihren Arm aus dem Berndorfs lösen. Aber plötzlich ist sein Griff unnachgiebig.
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass ein Teil der Geschichte noch nicht aufgeräumt ist«, sagt er. »Wir werden das besorgen, und wir werden es jetzt tun. Natürlich können Sie auch einfach schreien. Dann muss ich Sie loslassen und Sie können weglaufen. Das heißt, vor mir können Sie weglaufen. Aber nicht vor dem, was war. Das hat sie schon eingeholt.«
    Dann lässt er ihren Arm los. »Kommen Sie.«
    Birgit zögert. Noch ein Verrückter. Einfach wegrennen. Oder losschreien. Wie er es gesagt hat. Einen richtigen schnuckeligen kleinen Skandal auf dem Hauptfriedhof. Wundern wird er sich. Warum stöckel ich weiter neben ihm her? Wieso weiß ich das genau? Weil du jetzt keinen Skandal brauchen kannst, Schätzchen. Hubert wartet nur auf so etwas.
    »Es wäre sehr liebenswürdig, wenn Sie mir sagen wollten, wohin wir gehen . . .«
    »Wir sind gleich da«, antwortet Berndorf. Der Weg führt an einem Denkmal für badische Freiheitskämpfer vorbei, die 1849 von preußischen Soldaten füsiliert worden sind. Rechts von ihnen machen sich alte Frauen an Gräbern zu schaffen. Eine Weißhaarige, von der Osteoporose nach vorne gekrümmt, schleppt ihnen eine Gießkanne entgegen. Das weiße Haar ist schütter. Die Sonne brennt auf Immergrün und Totengeblüm. Sie kommen an einem Brunnen vorbei, auf dem
schmutzig grau eine einstmals kalkweiß
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