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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut
Autoren: Ulrich Ritzel
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müssen einer umgestürzten Fichte ausweichen, danach verläuft der Weg zwischen Laubgehölz, das dem Sturm standgehalten hat. Der Wald öffnet sich, vor sich sehen sie ein schmales Asphaltband, am Straßenrand steht das Schild einer Bushaltestelle. Seifert setzt sich auf eine Bank am Waldrand.
    »Bitte«, sagt er einladend zu den beiden anderen Männern. »Wir können jetzt nur warten. Ich weiß nicht, wie Marz durchkommen wird.«
    Berndorf blickt fragend.
    »Unser Gemeindearbeiter. Sie wollten doch, dass uns jemand abholt.«
    Schatte bleibt einen Augenblick stehen, ehe er widerstrebend Platz nimmt. Berndorf setzt sich neben ihn.
    Mit einem tiefen Schnaufer legt sich Felix vor die drei Männer. Seine Hundeaugen blicken schwarz in den Abendhimmel, der das Tal zuzudecken beginnt.
     
    Der Hof der Johannes-Grünheim-Akademie ist bedeckt mit Kastanienzweigen und zerbrochenen Dachziegeln.
    Im Garten irrt Margarethe Zundt an den verwüsteten Beeten und den entblätterten Rosensträuchern vorbei. Schließlich bleibt sie vor den umgestürzten Bohnenstangen stehen. Sie nimmt eine davon und richtet sie auf und versucht, sie wieder im Boden zu verankern. Dann sieht sie, dass die Stange abgebrochen und das Rankenwerk der Pflanzen abgerissen ist.
    »Es ist alles zerstört«, sagt sie zu Grassl, der mit ihr gegangen ist. »Dabei sind sie so gut gekommen ...« Sie geht zur nächsten Stange, aber auch da ist nichts mehr zu retten. »Die schönen Bohnen, was glauben Sie, welche Arbeit ich mir gemacht habe, dass die Schnecken sie nicht kaputtfressen . . .«
    Grassl blickt zum Walmdach hoch. Auf der Ostseite klaffen große Lücken, aufgerissen wie nach dem Einschlag einer Granate. Sie wird es schon noch merken, denkt er. Ich muss es ihr nicht zeigen.
    Von ferne hört er ein Geräusch. Es klingt, als ob ein Tier rufe, oder ein Mensch. Hat es den Schatte doch erwischt? Oder
einen von den alten Männern? Das Schicksal ist hart und ungerecht. Sieht man an den Bohnen der Hohen Witwe. Er jedenfalls hat das Telefonbuch. Irgendwie muss er weg von hier. Irgendwo steht noch immer sein alter Golf. Wenn ihn der Sturm übrig gelassen hat.
     
    Tamar tritt aus dem Stallgebäude. Als der Sturm aufgekommen war, hatte sie sich in das Haus zurückgeflüchtet. Jetzt eben hat sie nach den Verschlägen gesehen, in denen Shortie und Dülle verwahrt sind.
    »Lassen Sie uns raus, Chefin«, hatte Dülle sie angesprochen, »dann sind wir weg und Sie sehen uns hier nie wieder . . .«
    »Schön, dass Sie so weit wieder klar sind«, hatte Tamar geantwortet. »Bald kommen Sie auch hier raus. Wir haben einen schönen, gut geführten Untersuchungsknast in Ulm, Sie werden nicht enttäuscht sein . . .«
     
    »Hören Sie doch!«, ruft Grassl ihr zu und deutet nach Norden. Tamar bleibt stehen. Undeutlich dringt eine Stimme an ihr Ohr. Dann begreift sie, dass es ein Hilferuf ist. Das darf nicht sein, denkt sie. Es ist nicht der Franzosensteig. Der liegt weiter westlich. Viel weiter. Diesen Weg ist der Alte Mann nicht gegangen. Ein Frösteln läuft ihr über die Arme.
    »Ich geh’ nachsehen«, sagt sie zu Grassl. »Könnten Sie Werkzeug holen? Eine Säge, falls jemand eingeklemmt ist . . .«
    »Ich weiß nicht, wo eine ist«, antwortet er. »Außerdem war ich in erster Hilfe noch nie gut.« Ich muss hier weg. Das Gepäck holen und in den Golf packen und weg. Versteh doch, Mädchen. Wenn ich hier bleibe, muss ich der Polizei irgendwelche Geschichten erzählen. Ich mag die Polizei nicht.
    »Grassl«, sagt Tamar leise und macht einen Schritt auf ihn zu, »wenn du nicht tust, was ich sage, lass ich dich so was von einbuchten, allein schon, weil du Beweismaterial zur Seite schaffst, glaubst du, ich hab das mit dem Telefonbuch nicht gesehen?«
    »Das hat mir dieser Mann gegeben . . .«

    »Davon weiß ich nichts. Ich weiß nur, dass du’s hast. Hol die Säge!«
    Grassl wendet sich zur Remise, wo Freißle seine Werkstatt hat. Was ein tyrannisches Weib. Möcht’ ich mal.
    Lieber nicht.
    Entschlossen geht Tamar zum Wald.
    »Aber Kindchen, sehen Sie doch«, hört sie hinter sich die wehklagende Stimme der Witwe Zundt. »Die Bohnen . . .«
    Tamar nähert sich dem Wald. Es wird dunkel, aber der Wald sieht lichter aus als sonst. Als sie am Waldrand ankommt, weiß sie auch, warum das so ist.
    »So helfen Sie doch«, klingt es wieder aus dem Gewirr der niedergebrochenen Bäume, »ein Mann ist eingeklemmt . . .«
    Tamar dringt so weit vor, wie es fürs Erste möglich ist. »Wer sind
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