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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut
Autoren: Ulrich Ritzel
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erzählt hätte.
    Der Peugeot rollt an, wird aber wieder jäh abgebremst. Hubert flucht. Birgit blickt hoch. Die Kreuzung ist blockiert, der Wagen steht mitten auf dem Zebrastreifen, Passanten zwängen sich an der Motorhaube vorbei, mit ärgerlichen, manchmal auch höhnischen oder verächtlichen Blicken auf Hubert Höge und auf sie selbst, junge Leute sind es, ältere Leute, Birgit sieht durch die Passanten hindurch, als ob sie Luft seien,
ich will jetzt von niemandem gesehen werden, und niemanden will ich sehen, diese Frau mit den Staubfängern um den Kopf sieht aus wie . . . ich will gar nicht wissen wie, außerdem bin ich nicht wirklich hier, ich habe nichts zu tun mit diesem Menschen da neben mir. Hätte ich nur nichts zu tun mit ihm . . .
     
    Franziska Sinheim schiebt sich zwischen der Kühlerhaube des Peugeot und einem empört schnaufenden Rentner hindurch, der schwer mit Einkaufstüten beladen ist. Für den Bruchteil eines Augenblicks zögert sie. Dann schüttelt sie unmerklich den Kopf und geht mit raschen Schritten zur anderen Straßenseite hinüber. Sie hat ein schmales, noch jugendliches Gesicht unter einem kühnen Gewirr grauer Haare, die wie ein Strahlenkranz von ihrem Kopf abstehen, und trägt Jeans und ein weites, schlabbriges Jackett.
    War das Birgit?, überlegt sie. Ähnlich sähe es ihr. Die Neue Deutsche Unhöflichkeit. Noch einmal schüttelt sie den Kopf. Der Morgen ist zu schön.
    Später am Vormittag würde sie zu einer Buchvorstellung gehen. Eine der Koryphäen der Universität Heidelberg hat eine Abrechnung mit der political correctness verfasst; das Ereignis soll nun in einem ehrwürdigen Universitäts-Innenhof der Öffentlichkeit nahe gebracht werden. Als Festredner ist einer der renommierteren Schriftsteller der Republik gewonnen worden, ein höchst renommierter, überhaupt ist alles höchst renommiert, der Autor, der Festredner, der Verlag und der Innenhof. Franziska ist von Mannheim herübergefahren, weil sie hofft, einen Artikel über das Ereignis an die Berliner Zeitung verkaufen zu können, die ihr ab und an eine Gerichtsreportage oder einen Artikel über die Heidelberger Universität abnimmt.
    Es ist mühsam verdientes Geld, und in der letzten Zeit immer mühsamer erarbeitet. Denn in den Chefetagen der Zeitungen sind die Kenzo-gekleideten Rationalisierungsexperten eingezogen, in handgearbeiteten spitzen Schuhen und mit italienischen Seidenkrawatten, und haben sich darangemacht, den Journalismus in niedliche kleine Formate zu tranchieren
und kleinzuköcheln, bis nichts übrig bleibt als eine appetitliche Garnitur fürs Werbeumfeld.
    Die Buchvorstellung soll um 11 Uhr beginnen, bis dahin ist noch mehr als genug Zeit, eine Freundin zu besuchen. Sie geht zwei Straßen weiter, dann biegt sie nach rechts in eine kleine baumbestandene Seitenstraße ab. Hinter den Bäumen erheben sich mehrgeschossige Backsteinhäuser, deren Erker und Rundbögen nach spätem, gut abgelagertem 19. Jahrhundert aussehen. Im Erdgeschoss oder besser: im Hochparterre eines der Häuser ist Isabellas Galerie eingerichtet, als Ausstellungsraum hat sie genutzt, was früher einmal der Salon einer wilhelminischen Professorenfamilie gewesen sein mochte, vielleicht hatte Max Weber hier Tee getrunken oder stefan george ein biskuit genommen.
    Franziska schiebt die beiden gläsernen Flügeltüren auf, die die Galerie von der Garderobe trennen, und tritt ein. Der hohe Raum ist angenehm kühl.
    An der zartgrau tapezierten Wand hängen kleinformatige Aquarelle und Bleistiftzeichnungen auf Japanpapier, Franziskas Blick fällt auf die krakelige Zeichnung eines Tierkadavers, und darunter steht, akkurat und etwas linksgeneigt in Tusche geschrieben, der Satz: Alles, was unbegreiflich ist, besteht dennoch weiter .
    Franziska unterdrückt ein Schulterzucken. Kein Kunde da. Sie wird enttäuscht sein, dass nur ich es bin.
    In Glasvitrinen ist einzelner Schmuck ausgestellt, Franziska sieht näher hin, es sind Silberarbeiten, in einem Stil, der an die Handarbeiten bolivianischer Indios erinnert.
    Isabella schnauft in den Verkaufsraum. Sie ist eine untersetzte Frau mit grauen Strähnen im kurz geschnittenen dunklen Haar. Ihre stämmigen Beine sind in Jeans verpackt, die sie oberhalb der derben Schuhe aufgekrempelt hat. Darüber trägt sie ein kariertes Baumwollhemd. Sie umarmt Franziska und drückt ihr, die filterlose Zigarette in der gelb verfärbten linken Hand, einen Kuss auf die Wange.
    »Wenn du weiter so qualmst, werde ich
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