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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin
Autoren: Ellis Peters
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Turcaill.
    »Wir waren zu voreilig. Sie sind nicht mit leeren Händen gegangen. Sie haben Heledd mitgenommen.«
    Turcaill, der sich normalerweise beständig und unaufhaltsam wie Quecksilber in Bewegung befand, verfiel urplötzlich in vollkommene Starrheit. In seinem Gesicht veränderte sich nichts, nur seine beängstigenden Augen zogen sich ein wenig zusammen, als versuchte er etwas in weiter Ferne zu sehen, fern von diesem Moment und diesem Ort. Nur ein letzter Hauch seines ihm so eigentümlichen Lächelns schwebte noch auf seinen Lippen.
    »Wie konnte sie einem solchen Gefecht überhaupt nahe kommen?« sagte er. »Nun denn, es ist einerlei, sie würde etwas Verbotenem oder Gefährlichen immer eher entgegen als davor davonlaufen. Seid Ihr sicher, Bruder?«
    »Ganz sicher. Ich habe überall nach ihr gesucht. Leif sah, wie jemand sie aus dem Gedränge zog, aber er kann nicht sagen, wer. Jedenfalls ist sie fort. Ich hatte sie an meiner Seite, bis wir auseinandergerissen wurden, kurz bevor ihr sie durch die Befestigungen zurückgedrängt habt. Wer immer es war, der sie um die Taille gefaßt hielt, hat sie mit sich genommen.«
    »Sie sind ihretwegen gekommen!« sagte Turcaill voller Überzeugung.
    »Wenigstens einer ist ihretwegen gekommen«, sagte Cadfael, »denn ich denke, dies wird der Mann sein, dem Owain sie versprochen hatte. Als ihr gestern das Silber verludet, stand da einer bei Hywel, der die Augen nicht von ihr lassen konnte.
    Aber ich kannte den Mann nicht und dachte nicht weiter darüber nach.«
    »So ist sie wenigstens nicht in Gefahr und schon jetzt frei«, sagte Otir, und damit war die Sache für ihn erledigt. »Das gilt auch für Euch, Bruder, wenn es Euch beliebt, aber ich an Eurer Stelle würde mich fernhalten, bis wir fort sind. Niemand von uns weiß, was für morgen geplant sein mag. Es gibt keinen Grund, warum Ihr Euch mitten zwischen Wikinger und Waliser in Waffen stellen solltet.«
    Seine Worte, deren Bedeutung Cadfael erst später aufging, blieben vorerst ungehört, denn Cadfael beobachtete Turcaill so genau, daß er keinen Gedanken für seine eigenen zukünftigen Schritte übrig hatte, wie immer sie auch aussehen mochten.
    Der junge Mann hatte sich unauffällig aus seiner vorübergehenden Starrheit gelöst. Er atmete gleichmäßig wie eh und je, und das von den Lippen verschwundene Lächeln blitzte wie ein Funke in seinen hellen, strahlenden Augen. Von diesem Gesicht ließ sich nichts anderes ablesen als die offenherzige, anerkennende Belustigung, mit der er Heledd immer begegnete, und die verschwand umgehend, als sein Blick wieder auf die nächtlichen Verluste fiel.
    »Es ist gut, daß sie nicht miterleben wird, was heute geschieht«, sagte er schlicht. »Niemand kann wissen, wie es ausgeht.«
    Und das war alles. Wie alle anderen machte er sich daran, sich zum Kampf zu rüsten. In der Dunkelheit brachen sie alle ihre Zelte und Unterstände ab und führten die leichteren Langboote aus dem Hafen an der Mündung der Bucht aufs offene Meer hinaus zu den größeren Schiffen, deren Besatzungen und Ladung sie als wachsamer und beweglicher Schutz dienen sollten. Die See war ihr Element, und sie focht, ebenso wie die frische Brise, die vor Morgengrauen die Stille durchzitterte, auf ihrer Seite. Mit voll aufgetakelten und geblähten Segeln konnten selbst die langsameren Schiffe schnell in See stechen und sich vor einem Angriff in Sicherheit bringen. Aber nicht ohne das Vieh! Otir würde nicht weichen, bevor er nicht auch den letzten ihm zustehenden Penny erhalten hatte.
    Für Cadfael gab es da nichts zu tun, außer zwischen verlassenen Feuerstellen und den Überresten der Belagerung über die Dünen zu streifen und der dänischen Streitmacht zuzusehen, wie sie zusammenpackte, Aufstellung nahm und durch das spärliche Gras den an ihren Ankern zerrenden Schiffen zustrebte.
    Und sie werden fortgehen! hatte Heledd ernst, aber weder erfreut noch bekümmert gesagt. Sie waren schon jetzt so gut wie fort – und glücklich, vor der Heimreise zu stehen. Wenn also tatsächlich Ieuan ab Ifor diesen nächtlichen Überfall herbeigeführt hatte, gab es am Ende vielleicht doch niemanden mehr, der sich für Cadwaladr ins Zeug legte, für ihn und seine Ehre nicht und auch nicht für seinen Besitz. Dann würde es weder zu Land noch zu Wasser eine weitere Konfrontation geben, nur einen ordnungsgemäßen Abzug, der beim Abschied vielleicht sogar von einem kühlen Austausch von Höflichkeiten zwischen Walisern und Dänen
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