Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
sicherzustellen, daß keiner vor sich hinbrütete, der eigentlich einen Widerspruch oder Vorbehalt hegte, als der Pförtner, der während Gottesdienst oder Kapitellesung am Torhaus diente, seinen Kopf auf eine Art zur Tür hereinsteckte, die vermuten ließ, daß er außer Sichtweite auf genau diesen Augenblick gewartet hatte.
    »Vater Abt, hier ist ein Gast aus Lichfield. Bischof de Clinton hat ihn beauftragt, nach Wales zu reisen, und er bittet hier für eine Nacht oder zwei um Unterkunft.«
    Bei jedem geringeren Anlaß, überlegte Cadfael, hätte der Abt gewartet, bis wir alle den Raum verlassen hätten, doch wenn es um eine bischöfliche Angelegenheit geht, kann es sich gut um eine ernste Sache handeln, die öffentlich behandelt werden muß, bevor wir uns alle zerstreuen. Er erinnerte sich gern an Roger de Clinton, einen Mann der Entscheidung und des soliden Menschenverstands mit einem Blick für das Echte und das Falsche in anderen Menschen, der sich mit Fragen der Doktrin nicht lange aufhielt. Obgleich Radulfus' Gesicht gleichmütig blieb, glitzerte sein Blick doch, da er sich des letzten Besuchs des Bischofs mit Wertschätzung erinnerte.
    »Der Gesandte des Bischofs ist sehr willkommen«, sagte er, »und mag hierbleiben, so lange er wünscht. Hat er sofort einen Wunsch an uns, bevor ich dieses Kapitel schließe?«
    »Ehrwürdiger Vater, er möchte Euch sofort die Reverenz erweisen und auch wissen lassen, was sein Auftrag sei. Ihr entscheidet, ob dies hier oder unter vier Augen geschehen soll.«
    »Laß ihn hereinkommen«, sagte Radulfus.
    Der Torwächter verschwand, und das leise, verstohlene Gemurmel von Neugier und Spekulation, das durch das Kapitelhaus wie ein Wellenkreis auf einem Teich lief, verebbte zu erwartungsvoller Stille, als der Gesandte des Bischofs hereinkam und sich vor sie stellte.
    Er war ein kleiner Mann, schlank und mager gebaut, doch drahtig, schmal wie ein Sechzehnjähriger. Er wirkte ganz wie ein Junge, bis der Charakter und die Reife des ovalen, bartlosen Gesichts bei genauerem Hinsehen deutlich wurden.
    Ein Benediktiner wie diese seine Brüder, mit Tonsur und Habit, stand er aufrecht in der Würde seines Amtes und der Bescheidenheit und Schlichtheit seiner Natur, zart wie ein Kind und dauerhaft wie ein Baum. Mit seinem kurzgeschnittenen, strohfarbenen Haarkranz wirkte er stachelig wie ein Igel. Das Haar stand so unbeherrschbar ab wie bei einem Kind. Doch ein Blick in seine grauen, klaren Augen zeigte einem gleich, daß er ein Mann war.
    Ein kleines Wunder! Cadfael fand sich unvermutet mit einem Geschenk beschert, nach dem er sich in den vergangenen Jahren oft gesehnt hatte. Jetzt kam es ihm plötzlich und unwahrscheinlich wie ein Wunder vor. Roger de Clinton hatte als seinen akkreditierten Sendboten nicht irgendeinen dicken imposanten Kanoniker aus der inneren Hierarchie seiner weitgespannten Diözese gewählt, sondern den jüngsten und bescheidensten Diakon an seinem Hof. Cadfael dachte gern an die zwei Jahre zurück, als dieser Bruder Mark ihm im Garten der Abtei Shrewsbury beim Bereiten von Kräutern und Arzneien zur Hand gegangen war.
    Bruder Mark verneigte sich mit großer Feierlichkeit vor dem Abt, wobei er seine Tonsur tief beugte. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, war seinen klaren Augen ein schwaches Echo jenes spöttischen Charmes anzumerken, den Mark schon besessen hatte, als Cadfael ihn vor Jahren als stummes Waisenkind kennengelernt hatte. Er würde stets sowohl Mann wie Kind sein, von diesem Tag an bis zu dem Tag, an dem er Priester würde, was sein leidenschaftliches Verlangen war. Und das würde noch einige Jahre dauern, denn er war noch nicht alt genug, um aufgenommen zu werden.
    »Mein Herr«, sagte er, »mein Bischof schickt mich mit einer Botschaft des guten Willens nach Wales. Er bittet darum, daß Ihr mich aufnehmt und, mich für eine Nacht oder zwei bei Euch unterbringt.«
    »Mein Sohn«, sagte der Abt und lächelte, »hier brauchst du kein anderes Beglaubigungsschreiben als deine Anwesenheit.
    Hast du denn gedacht, wir könnten dich so bald vergessen haben? Du hast hier so viele Freunde, wie es Klosterbrüder gibt, und in nur zwei Tagen wird es dir schwerfallen, sie alle zufriedenzustellen. Und was deinen Auftrag anbelangt, oder den deines Herrn, so werden wir alles tun, um ihn voranzubringen. Willst du darüber sprechen? Hier oder unter vier Augen?«
    Der feierliche Ausdruck auf Bruder Marks Gesicht verwandelte sich in ein erfreutes Lächeln. Der Abt hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher