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Die schwarze Feder

Die schwarze Feder

Titel: Die schwarze Feder
Autoren: Heyne
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Gruselblick auf, dann ist sofort Schluss damit.«
    »Ich hätte auch gern einen Gruselblick«, sagte Howie.
    »Es ist eben so, wie ich es gesagt habe – du hast nichts Gruseliges an dir, Howie Dugley.«
    »Schlafen Sie immer in leeren alten Gebäuden wie dem hier?«
    »Nicht immer. Manchmal auch in dem Fahrzeug, in dem ich reise. Ab und zu unter einer Brücke oder in einem Feld. Dafür habe ich meinen Schlafsack. Manchmal schlafe ich in einem Obdachlosenasyl und manchmal in einem Haus, das mir gefällt.«
    »Haben Sie auch irgendwo ein eigenes Haus?«
    »Ich habe überall Häuser, an jedem beliebigen Ort, der mir gefällt«, sagte Mr. Blackwood.
    »Dann sind Sie nicht arm?«
    »Keineswegs. Ich habe alles, was ich mir wünschen könnte. Ich tue, was ich will. Ich tue alles , was ich will.« Aus einer der vielen Taschen seiner Khakihose zog er ein dickes, zusammengerolltes Bündel Geldscheine. »Gibt es in dieser Stadt einen anständigen Laden, wo man sich richtig gute Sandwiches besorgen kann?«
    »Da gibt’s ein paar, ja.«
    Mr. Blackwood schälte einen Zwanziger und einen Zehner von dem Bündel. »Wie wär’s, wenn du uns was zum Mittagessen besorgst?«, fragte er. »Zwei Sandwiches für mich, eins für dich und ein paar Dosen Cola. Du brauchst nicht durchs Kellerfenster klettern. Nimm einfach die Hintertür; das Schloss schnappt nicht zu, wenn du den Riegel ganz nach oben stellst.«
    Seine Hand war so groß, dass er damit Howies ganzes Gesicht hätte bedecken können, den Handballen unter dem Kinn, drei Fingerspitzen über den Haaransatz hinweg, den Daumen ins eine Ohr gehakt und den kleinen Finger ins andere. Selbst dieser kleine Finger war groß und hatte eine extrem breite Kuppe, größer als ein Suppenlöffel, fast wie die Saugnäpfe einer Kröte.
    Die Hand sah so kräftig aus, als könnte sie einem das Gesicht abreißen und es zusammenknüllen wie ein Papiertaschentuch. Aber wenn Mr. Blackwood im Sinn gehabt hätte, Howie wehzutun, dann hätte er das sicher längst getan. Aber noch etwas Anderes war Howie in den Sinn gekommen: Wenn Mr. Blackwood womöglich keine Lust mehr hatte, durch die Gegend zu ziehen, sondern hier blieb, weil er sich mit ein paar Leuten angefreundet hatte, dann wäre es toll, ihn zum Freund zu haben. Kein älteres Kind, egal, wie groß und gemein es war, würde Howie dann mehr auflauern, um ihn herumzustoßen, ihm die Hose runterzuziehen und ihn auszulachen, um ihn Narbengesicht, achtfingrige Missgeburt oder Klaue zu nennen. Nicht, wenn alle wussten, dass Howie mit Mr. Blackwood befreundet war.
    »Normalerweise gehe ich nicht in solche Läden, außer meine Mom zwingt mich, mitzugehen. Alleine mach ich das nie.«
    Mr. Blackwood streckte ihm immer noch das Geld hin. »Dann ist es gut, wenn du es doch mal tust«, sagte er. »Du wirst sehen, die nehmen dein Geld genauso gern wie das von irgendjemand anderem und geben dir, was du willst, wie jedem Kunden. Und falls jemand dich anstarren sollte – lächle ihn einfach an. Du hast zwar kein Frankenstein-Grinsen wie ich, aber ein nettes Lächeln wird genauso gut funktionieren, vielleicht sogar noch besser. Du wirst schon sehen.«
    Howie trat auf Mr. Blackwood zu und nahm die dreißig Dollar entgegen.
    Die Scheine waren mit dunklen, braunroten Flecken verschmutzt. »Mit denen kann man bezahlen«, versicherte ihm Mr. Blackwood. »Falls jemand fragt, sag einfach, du kaufst die Sandwiches für deine Mom. Denn wenn jemand erfährt, dass wir hier oben sind, scheucht man uns runter, bevor wir mit unserem Picknick fertig sind.«
    »Ja, Sir.«
    »Dreißig Dollar, das ist eine Menge Geld. Aber ich vertraue dir, dass du das hinkriegst, Howie. Ohne Vertrauen gibt es keine Freundschaft.«
    Egal, ob im Sonnenlicht oder im Schatten einer vorüberziehenden Wolke, Mr. Blackwood sah so seltsam aus, als wäre er nicht ganz real. Nur seine Augen – so kohlschwarz, dass man keinen Unterschied zwischen Iris und Pupille erkennen konnte – , seine Augen waren so real wie alles andere auf der Welt, und sie bohrten sich in Howie, als könnten sie bis in sein Gehirn spähen und seine Gedanken lesen.
    Mr. Blackwood zwinkerte. »Wenn es da leckere Kekse gibt, bring davon doch auch ein paar mit, okay?«

Kapitel 2
    Howie erschien mit Papptellern, -bechern und Papierservietten, vier Dosen kaltem Cola und einem wiederverschließbaren Plastikbeutel mit Eis, dick belegten Sandwiches, großen Dillgurken, einer Tüte Kartoffelchips und einer Packung Schokokekse. Außerdem
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