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Die schwarze Feder

Die schwarze Feder

Titel: Die schwarze Feder
Autoren: Heyne
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nicht, was ich sehe, wenn ich sie anstarre.«
    »Was siehst du denn?« Als Howie keine Antwort gab, sagte Mr. Blackwood: »Du siehst Mitleid, und du magst nicht bemitleidet werden. Lass dich von deinem Stolz nicht davon abhalten, bei der Parade mitzumachen, Howie. Du willst doch kein einsames Leben führen, oder?«
    »Sie sagen blöde Sachen über mich. Manchmal stoßen sie mich herum und stellen mir ein Bein. Sie lachen.«
    »Du meinst die anderen Kinder«, sagte Mr. Blackwood.
    »Die vor allem, ja.«
    »Ach, weißt du, viele grausame Kinder ändern sich, wenn sie älter werden. Einige freilich nicht, aber die paar darfst du nicht darüber entscheiden lassen, wie dein Leben verläuft.«
    Nur Howies Mutter hatte je so mit ihm geredet, aber aus irgendeinem Grund hatten die gleichen Worte nicht so viel bedeutet, als sie aus ihrem Mund gekommen waren.
    »Wieso hab ich Sie eigentlich noch nie gesehen?«, fragte Howie.
    »Ich bin erst gestern Abend in die Stadt gekommen. Der Wind hat mich hierhergeweht, könnte man sagen. Hab das Kellerfenster gefunden, das nicht abgeschlossen ist. Geschlafen hab ich unten im Erdgeschoss in der Nähe der Hintertür. Morgen Abend bin ich vielleicht schon wieder fort.«
    »Warum sind Sie denn hier?«
    »Um irgendwo zu sein«, sagte Mr. Blackwood. »Dies ist ein Ort zwischen zwei anderen Orten, das ist alles. Ich bleibe nirgendwo lange.«
    »Was machen Sie? Als Arbeit, meine ich. Was ist Ihr Beruf?«
    »Ich lasse mich treiben. Das ist mein Beruf und mein Vergnügen. Ich bin immer unterwegs, um so viel von der Welt zu sehen, wie ich kann.«
    Erstaunt fragte Howie: »Bezahlt man Sie dafür etwa?«
    »Gewissermaßen. Jedenfalls bekomme ich alles, was ich will.« Mr. Blackwood leckte sich die Lippen, als hätte er gerade an etwas Süßes gedacht. »Was ist mit dir – wohnst du schon immer hier?«
    »Ja, klar. Weg war ich bloß für die Operationen im Verbrennungszentrum.«
    »Und du wohnst in der Nähe?«
    »Zwei Ecken weiter in der Wyatt Street. Sind Sie ein Landstreicher?«
    »Manche Leute halten mich dafür. Aber ich bin etwas anderes. Hast du Geschwister? Brüder oder Schwestern?«
    »Bloß Corrine.«
    »Ist sie älter als du?«
    »Viel älter, ja. Sie ist sechzehn.«
    »Das ist ein schönes Alter für ein Mädchen«, sagte Mr. Blackwood.
    »Ach ja? Wieso ist das denn schöner als irgendein anderes Alter?«
    Mr. Blackwood schloss die Augen und wiegte den Kopf hin und her. »Jung genug, um noch zart zu sein, aber alt genug, um bereit für die Welt zu sein. Und wie heißt deine Mutter?«
    »Nora. Die ist schon richtig alt. Fünfunddreißig. Was sind Sie denn sonst, wenn Sie kein Landstreicher sind?«
    »Ich kenne alle Kniffe und Tricks, die diese Leute kennen. Aber vor allem bin ich ein Träumer.« Er öffnete die Augen. »Was ist mit deinem Dad?«
    Nach kurzem Schweigen sagte Howie: »Ich habe keinen Dad mehr.«
    »Das tut mir leid, Junge. Falls er gestorben ist, meine ich.«
    »Er ist nicht gestorben«, sagte Howie.
    Das schien Mr. Blackwood sehr zu interessieren. »Aber er wohnt nicht bei euch. Dann sind deine Eltern geschieden?«
    »Ja.«
    »Er ist trotzdem dein Dad.«
    »Nein, ist er nicht.«
    »Du triffst ihn doch manchmal, oder?«
    »Das geht nicht. Würd ich aber auch gar nicht wollen.«
    Mr. Blackwood schwieg. »Wie lange ist die Scheidung denn her?«, fragte er dann.
    »Als ich fünf war.«
    »Also in dem Jahr, als das mit der Verbrennung war.«
    Um von diesem Thema wegzukommen, fragte Howie: »Was macht ein Träumer denn so?«
    »Im Augenblick träume ich davon, etwas Besonderes zu tun, aber ich das habe ich noch nicht in allen Einzelheiten ausgeträumt. Wenn es so weit ist, erzähle ich es dir. Kein Vater in all den Jahren – das ist hart. Hat deine Mutter vielleicht einen Freund, der bei euch wohnt? Der könnte ja so etwas wie ein Vater für dich sein.«
    »Nein, hat sie nicht. Wir sind bloß zu dritt.«
    Obwohl Howie auf die Straße hinunterblickte, merkte er, dass Mr. Blackwood ihn interessiert beobachtete.
    »Dann bist du der Mann im Haus«, sagte Mr. Blackwood.
    »So ähnlich. Wie kommen Sie denn herum? Haben Sie ein Auto?«
    »Manchmal besorge ich mir eines. Oder ich steige in einen leeren Güterwagen. Ab und zu nehme ich sogar den Bus.«
    »Starren die Leute im Bus Sie denn nicht an?«
    »Ich setze mich extra ganz vorne hin, damit sie mich gut sehen können.«
    »Mir wär das nicht recht, dass man mich so angafft.«
    »Wenn jemand mich zu sehr angafft, setze ich meinen
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