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Die schwarze Feder

Die schwarze Feder

Titel: Die schwarze Feder
Autoren: Heyne
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etwas antun wollte, würde ich dir doch bestimmt nicht meinen Namen sagen.«
    Nach kurzem Zögern staunte Howie über sich selbst, während er die Mütze abnahm und den Kopf so drehte, dass Mr. Blackwood ihn von vorn sehen konnte. »Sie dürfen aber auch keine Angst haben«, sagte er.
    Mr. Blackwood betrachtete die linke Seite von Howies Gesicht, dann fiel sein Blick auf dessen dreifingrige linke Hand, die er einen Moment lang anstarrte. »Hör mal, Junge«, sagte er, »wenn es eine Weltmeisterschaft für gruseliges Aussehen gäbe, mit sieben Kampfrichtern, dann würde ich dich sieben zu null schlagen.«
    »Vielleicht auch bloß fünf zu zwei«, sagte Howie.
    »Also, da bildest du dir entweder was Schreckliches ein, oder du willst höflich zu mir sein. Es würde sieben zu null ausgehen, und beleidige bitte nicht meine Intelligenz, indem du das bestreitest. Aber gut! Ich werde jetzt mein bestes Gruselgesicht machen, und dann sagst du mir ehrlich, ob du tatsächlich auch nur eine einzige Stimme bekommen würdest.«
    Mr. Blackwoods gruseligstes Gesicht war ein breites Grinsen, das ein derart furchtbarer Anblick war, dass es Howie den Atem verschlug. Er wich einen Schritt zurück. Diese Reaktion brachte Mr. Blackwood zum Lachen, und sein lachendes Gesicht sah sogar noch schrecklicher aus als sein Grinsen.
    Obwohl sich sein Lachen so hässlich anhörte wie das Gurgeln eines halb verstopften Abflusses, fand Howie seine gutmütige Selbstironie durchaus sympathisch.
    Nach einer kleinen Weile lächelte Howie und sagte: »Na gut, Sie haben gewonnen. Ich würde keine einzige Stimme kriegen.«
    »Dann bist du also doch ein ehrlicher Junge. Hab ich ja gewusst. Gut für dich.«
    Howie setzte seine Mütze wieder auf und ging zu der übernächsten Spalte, wodurch etwa zwei Meter Abstand zwischen ihm und Mr. Blackwood blieben.
    »Und, wie heißt du?«, fragte dieser.
    »Howie. Howie Dugley. Mein zweiter Vorname ist Mabry, aber den benutze ich nicht. Sonst gibt’s Probleme. Was machen Sie denn hier oben?«
    Mr. Blackwood hob den Arm und deutete zur Straße hinunter. »Ich schaue mir die Parade an.«
    »Da ist doch gar keine Parade.«
    »Es findet immer eine Parade statt, Howie. Wenn es was ist, wo man nicht mitmachen, sondern bloß zuschauen kann, dann ist es eine Parade.«
    Howie blickte auf die Straße hinunter, wo die ganz normalen Leute ihrem normalen Leben nachgingen und keine Ahnung hatten, dass jemand sie beobachtete und beneidete. Dann sah er Mr. Blackwood an. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Nichts. Das sind Geburtsfehler. Ich bin so auf die Welt gekommen. Geburt und Tod – schwer zu sagen, was schlimmer ist. Als ich zur Welt kam, war ich natürlich noch nicht so groß wie jetzt, aber in meiner kindlichen Gestalt war ich sogar noch hässlicher, hat man mir gesagt. Bei dir war es wohl eher ein Feuer, schätze ich?«
    »So was Ähnliches, ja«, gab Howie zu.
    »Wann ist das passiert?«
    »Als ich fünf war. Vor fast sechs Jahren.«
    »Bestimmt bist du ein paarmal operiert worden.«
    »Elfmal. Zuletzt vor zwei Jahren.«
    »Das tut mir leid – ich meine, es muss sehr wehgetan haben.«
    Howie zuckte die Achseln, als hätten die Schmerzen ihm nicht viel ausgemacht, obwohl sie eine ganze Weile alles gewesen waren, was er wahrgenommen hatte. »War ja nicht Ihre Schuld.«
    Mr. Blackwood schüttelte mitfühlend den Kopf. »Ach, weißt du, die Medizin … die macht doch immer Fortschritte. Eines Tages wird man dir wesentlich besser helfen können als heute.«
    Je länger Howie der heiseren Stimme zuhörte, desto weniger kam sie ihm wie die eines Filmungeheuers vor. Sie klang nun eher wie die Stimme eines Bären in einem Zeichentrickfilm.
    »Sind Sie auch operiert worden?«, fragte er.
    »Nein. Will ich auch nicht. Ich hab eine besondere Beziehung zu Messern.«
    »Haben Sie Angst, dass man an Ihnen herumschneidet?«
    »Angst nicht«, sagte Mr. Blackwood. »Aber ich hab einfach eine besondere Beziehung zu Messern. Kommst du oft hier rauf?«
    Howie zuckte wieder die Achseln. »Manchmal.«
    »Und warum?«
    »Um die Straße zu beobachten. Die Leute da unten. Sie wissen schon.«
    »Die Parade«, sagte Mr. Blackwood. »Also, zur Hälfte sieht dein Gesicht richtig gut aus, mein Junge, und die andere Hälfte macht bestimmt niemandem Angst. Für dich gibt’s also durchaus einen Platz in der Parade da unten.«
    Da war Howie anderer Meinung. »Die Leute starren mich an.«
    »Starr doch einfach zurück, dann hören sie auf.«
    »Ich mag
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