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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand
Autoren: Gunnar Staalesen
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Bestes tun, selbstverständlich. Ich habe
schließlich eine gewisse Erfahrung, gerade mit solchen Fällen.«
Sie öffnete ihre Handtasche wieder. »Wieviel wird es …«
»Der Preis? Das … Aber Sie haben nichts von sich erzählt.
Arbeiten Sie eigentlich?«
»Nein, im Moment nicht. Aber ich bin Vorschulpädagogin,
und deshalb … ich meine, ich sollte mich auskennen.«
»Mit Kindern, meinen Sie?«
»Mhm.« Sie nickte.
»Aber das tut man trotzdem nie. Kinder sind wie Erwachsene,
nur noch ein bißchen unberechenbarer.«
Sie zog ein Scheckheft hervor. »Was soll ich eintragen?«
»Wenn es ein paar Tage dauert, dann werden es schnell fünf-,
sechstausend.« Ich sah, wie sich ihre Augen einen Deut weiteten.
»Aber andererseits … Schreiben Sie zweitausend, als Vorschuß. Mit etwas Glück könnte es reichen.«
Sie schrieb, riß den Scheck ab und schob ihn mir über den
Tisch zu, zusammen mit ihrer Scheckkarte. Ich betrachtete das
Bild. Sie hatte damals längere Haare, und die Wangen waren
noch nicht so markant. Aber ich sagte nichts.
Ich gab ihr die Karte zurück. »Sie haben nicht vielleicht ein
Bild von ihr dabei?«
»Doch, natürlich, ich habe eins mitgenommen …« Sie zog
eine aus einer Zeitschrift herausgerissene Seite hervor und gab
sie mir mit leicht entschuldigendem Blick. »Stian hat es eingeschickt.«
Ich betrachtete die Seite. Sie zeigte eine dieser Gratulationsspalten, die sich die meisten Lokalzeitungen in den letzten
Jahren zugelegt hatten, bei denen man ein Foto von der Person
einsendet, der man herzlichen Glückwunsch sagen will, mit
Vorliebe in Reimen, neben denen selbst die Geringsten unter
den Gelegenheitspoeten als literarische Genies erschienen.
Der Text war vergleichsweise nüchtern:
Unsere große Schwester wird 16! Herzlichen Glückwunsch,
TO-RILD, von den Kleinen, Vibeke und Stian. Das Bild zeigte
ein ernstes junges Mädchen, das feierlich in den Spiegel eines
Paßbildautomaten blickt.
»Das ist das neueste, das wir haben«, sagte Sidsel Skagestøl
mit Bedauern in der Stimme.
»Die Haarfarbe?«
»Blond. Aber dunkler als ich.«
»Und wie sieht sie sonst aus?«
»Sie ist ziemlich zierlich, aber …« Sie errötete leicht. »Mit
weiblichen Formen.«
Nachdem sie gegangen war, blieb ich eine Weile sitzen und
betrachtete das kleine Zeitungsbild. Hier war nichts von weiblichen Formen zu sehen, aber der Blick war recht selbstbewußt,
so als solle nur ja niemand daherkommen und ihr erzählen, wie
die Pyramiden gebaut wurden, wer Vasco da Gama war oder
wie die Formel von Ferrosilit lautete.
Ich sah aus dem Fenster. Es hatte schon zu dämmern begonnen. Mir kam der Gedanke, daß es gefährlich war im Februar
allein draußen zu sein, besonders, wenn man gerade erst
sechzehn war und ja niemand kommen sollte und einem was
erzählen.
Als ich eben zur Tür hinaus wollte, klingelte das Telefon.
Ich ging zum Schreibtisch zurück, hob den Hörer ans Ohr und
sagte: »Ja, hallo.«
Niemand antwortete.
»Hallo? Hier ist Veum.«
Noch immer keine Antwort. Aber schwach, fast wie ein Hintergrundgeräusch, hörte ich … Was war das? Eine Art
synthetischer Orgelmusik?
»Hallo?« wiederholte ich irritiert.
Und die Melodie … kam mir irgendwie bekannt vor …
Es war »Oh, verlaß mich nicht«. Wie zu einer Beerdigung.
»Hallo?« sagte ich, etwas zaghafter diesmal, denn der Anruf
konnte ja direkt aus einer Kapelle kommen. »Ist da jemand?«
Aber noch immer antwortete niemand. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
3
    Familie Furubø wohnte in einer Doppelhaushälfte an dem Ende
von Birkelundsbakken, wo es unmöglich ist, jemals den richtigen Gang einzulegen, wenn man bergauf fährt. Die Frau, die die
Haustür unten öffnete, war von der patenten Sorte, ungefähr
einsachtzig groß und mit dunklem, kurzem Haar. Sie hatte ein
rundes Gesicht, braune Augen und einen besorgten Zug um den
Mund.
    »Ja? Wir brauchen nichts, wenn –«
»Frau Furubø?«
Sie nickte. Sie trug einen braunen Rock, eine hellgrüne Bluse
und eine rotbraune, lockere Lederweste. Hinter ihr sah ich in
einen Flur mit gelbgestrichenen Wänden.
    »Ich heiße Veum und bin Privatdetektiv. Ich habe den Auftrag
von Sidsel Skagestøl, ihre Tochter Torild zu finden, und in dem
Zusammenhang würde ich gerne ein paar Worte mit – Åsa
sprechen.«
»Aber, hat sich die Sache immer noch nicht aufgeklärt? Sidsel
hat ja angerufen … Das war doch …«
     
»Letzten Donnerstag, denke ich.«
    »Ja.« Sie warf mir einen mißtrauischen Blick
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