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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand
Autoren: Gunnar Staalesen
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Gunnar Staalesen
Die Schrift an der
Wand scanned 03_2007/V1.0
    In einem Hotel in Bergen wird die Leiche eines Richters gefunden – nur mit
einer Garnitur delikater Damenunterwäsche bekleidet. Kurz darauf erhält
Privatdetektiv Varg Veum den Auftrag, ein verschwundenes Mädchen zu
finden – und er erhält eine Todesanzeige zugeschickt. Seine eigene. Als die
nächste Leiche auftaucht, kommt Veum unter Zeitdruck. Wenn er glauben
soll, was da steht, hat er noch genau eine Woche zu leben.
    ISBN: 3-502-51713-4
Original: Skriften på veggen (1995)
Aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann-Butt
Verlag: Scherz
Erscheinungsjahr: 2. Auflage 1999
Umschlaggestaltung: ja DESIGN, Bern
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
    Mein dänischer Verleger und Freund Erik Vagn Jensen starb,
bevor dieses Buch fertig wurde.
Ich widme es ihm mit größter Hochachtung.
Als der Richter H. C. Brandt im Alter von sechzig Jahren eines
Freitags nachmittags tot in einem der besseren Hotels der Stadt
aufgefunden wurde, nur mit einer Garnitur äußerst delikater
Damenunterwäsche bekleidet, dauerte es nicht besonders lange,
bis es in der Gerüchteküche zu brodeln begann.
    An den Pressestammtischen von Wesselstuen ertönte jedesmal
brüllendes Gelächter, wenn ein neues Detail auf den Tisch kam,
und die meisten davon wurden mit der blühendsten Phantasie
ausgemalt. Auch ich bekam ein paar Tage später, bei einem
ruhigen Mittagsbier mit Frikadelle in Børsen von meinem alten
Klassenkameraden, dem Journalisten Paul Finckel, eine Handvoll Spekulationen serviert.
    Daß man den Richter in Damenunterwäsche gefunden hatte,
war an und für sich schon aufsehenerregend. Die Mutmaßungen
über die Farbe der Kleidungsstücke waren zahlreich. Sowohl
rosa als auch rot wurden häufig genannt. Nicht wenige bestanden hartnäckig auf lindgrün. Die meisten einigten sich
schließlich darauf, daß sie schwarz gewesen sein mußten.
    Die Frage, mit wem er in dem Hotelzimmer zusammengewesen war, gab Anlaß zu den wildesten Spekulationen. Denn kein
Mensch glaubte, daß er dort allein gewesen war.
    Eine Fraktion war davon überzeugt, daß es ein Mann gewesen
sein müßte, da der Richter selbst Damenunterwäsche getragen
hätte. Aber da niemand den Namen des Richters jemals in
Verbindung mit den homosexuellen Kreisen der Stadt gehört
hatte und der Mann zudem verheiratet und auch Großvater war,
hätte man ihn folglich als verkappten Schwulen entlarvt. Und
wer konnte dafür garantieren, daß der mögliche Partner nicht
derselben Kategorie angehörte? Wäre dies der Fall, so hatte man
an den Presse-Stammtischen zwar viele gute Tips, aber keine
handfesten Beweise dafür, um wen es sich handeln könnte.
    Einige behaupteten mit großem Nachdruck, der Richter habe
seit Jahren eine Affäre mit einer seiner Mitarbeiterinnen gehabt,
und ein Raunen ging durch die Versammlung, die einen Skandal
witterte, als der Name genannt wurde.
    An den Tischen, an denen nur männliche Journalisten saßen,
fielen einige Frauennamen aus ihrer eigenen Berufsgruppe,
darunter der einer sehr bekannten Reporterin einer Osloer
Zeitung sowie ein nicht ganz so bekannter Name aus der
Nachrichtenredaktion des Norwegischen Fernsehens.
    Andere hatten für die ganze Affäre nur ein Achselzucken übrig
und meinten, der Richter sei schlicht und ergreifend mit einer
Nutte zusammen gewesen, und ob diese nun männlich oder
weiblich gewesen sei – so what? – und bestellten einen neuen
Halben.
Über die Todesursache wurde nicht weiter spekuliert.
    Die meisten waren wohl der Überzeugung, daß es irgend etwas
mit dem Herzen gewesen sei.
Sie saß in meinem Wartezimmer, als ich von der Beerdigung
zurückkam.
    Es war an einem dieser Februartage, von denen es viel zu viele
gibt, obwohl es der kürzeste Monat im Jahr ist. Der Februar fällt
irgendwie aus dem Jahr heraus. Die Steuererklärung ist abgegeben, die Touristensaison hat noch nicht begonnen, es steht nichts
auf dem Plan. Ein feuchter Frost trampelte mit so schweren
Gummistiefeln über Bergen, daß man es unter dem Tiefdruck
kaum schaffte, aufrecht zu gehen. Graubrauner Eismatsch lag in
den Rinnsteinen, und die Berge um die Stadt herum waren durch
einen Nebeldunst, der so halsstarrig war, daß er sich nicht
einmal nach einer offiziellen Sturmwarnung hob, kaum zu
erkennen. Wie die Goldknöpfe an der Weste eines verschollenen
Seemanns konnte man die Lichter der Fløyenbahn den Berghang
hinauf schimmern
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