Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose
Autoren: Jo MacDoherty
Vom Netzwerk:
nächsten Moment hastig den Kopf zurück, als der Mann die Zügel anzog und das Gespann widerstrebend zum Stehen brachte.
    »Was gibt es denn, Milady?«
    Sir Archibald von Grant hatte ursprünglich darauf bestanden, Juliet eine ganze Eskorte mitzugeben, aber es war ihr nach zähen Verhandlungen gelungen, den Clanchef davon zu überzeugen, dass ein einziger Berittener und der Kutscher als Eskorte vollkommen genügten. Schließlich wollte sie die Clans, die nicht mit den Grants befreundet waren, nicht von vornherein gegen sich aufbringen. Deshalb hatte sie sich auch ausbedungen, dass die beiden Soldaten nicht Kilts in den Farben des Clans trugen, sondern neutrale Kleidung.
    Doch das war bestimmt nicht der Grund für die beklommene Miene, mit welcher der Berittene Juliet jetzt musterte, nachdem er sein Pferd neben die Kutsche getrieben hatte und seinen Kopf durch das Fenster steckte.
    »Wir können hier nicht …!«
    »Ich will aussteigen!«, verkündete Juliet kurz angebunden und raffte ihren von der Reise und den schwülen Temperaturen etwas mitgenommenen Rock. »Öffnet die Klappe!«
    Es hatte sie einige Überwindung gekostet, in dieses Gefährt nicht, wie bei richtigen Kutschen üblich, durch den Seitenschlag einzusteigen, sondern hinten durch die Viehklappe zu klettern. Doch sie kam nicht dazu, sich über diese Unbequemlichkeit Gedanken zu machen, weil ein entsetzter Schrei aus zwei Kehlen sie ablenkte.
    »Hier?«
    Der Berittene und auch Nanette starrten sie an. Ungläubig die eine, fassungslos der andere.
    »Aber Milady …!«
    »Mon Dieu, Jul… Milady!«
    Juliet lächelte über den Ausdruck auf Nanettes Gesicht. »Hast du mir nicht eben noch einen Vortrag über die Vorzüge von Elfen und Kentauren gehalten, hm?«, fragte sie spöttisch. Sie drehte sich um und schaute aus dem Fenster. »Diesen geheimnisvollen Teich wollte ich mir schon immer einmal ansehen. Vielleicht begegne ich dort ja tatsächlich einem Elfenkönig.« Sie spürte, wie der Gedanke an einen gut gebauten, eleganten und einfühlsamen Elf unwillkürlich ihre Phantasie anregte und ihr die Röte ins Gesicht schoss. Obwohl Juliet de Germont nicht an Märchen und Fabelwesen glaubte, hatte sie durchaus einen Sinn für Romantik. Die wirkliche Geschichte, die sie hinter der Familienlegende vermutete, beschäftigte sie, seit sie zum ersten Mal davon gehört hatte.
    Außerdem, und das war vielleicht das Ausschlaggebende, stank es im Inneren der Kutsche tatsächlich unerträglich, da musste sie Nanette recht geben. Der Anblick des Weihers hatte deshalb unwiderstehlich auf sie gewirkt. Das grünliche Wasser des Teichs lag friedlich da, eingehüllt von dem friedlichen Summen der Insekten und dem Zwitschern der Vögel in den Zweigen der Bäume, die den Weiher wie gelassene und ehrfurchtgebietende Wächter umringten. Die Szenerie strahlte etwas Friedliches und Stilles aus, eine schattige Ruhe, nach der sich Juliet schon auf der ganzen Fahrt von der Burg der MacIntoshs gesehnt hatte. Sosehr sie auch Nanettes klugen und mutigen Geist schätzte, so sehr hatte es sie gestört, dass ihre Freundin fast die ganze Fahrt über pausenlos geplappert hatte. Als hätte das heftige Holpern und Ruckeln der Kutsche Juliet nicht schon genug Anstrengung gekostet, ihre Konzentration zu bewahren, um über die Gespräche mit den Clanchefs nachzudenken und ihre weiteren Schritte zu überlegen. Auf Grant Castle erwartete sie mit Gewissheit ein höchst neugieriger Sir Archibald, der ihr kaum Zeit und Ruhe lassen würde, ihre Gedanken zu ordnen, bevor er sie in sein Turmzimmer rief und sie aufforderte, ihm Bericht zu erstatten.
    Als der Kutscher, der mittlerweile mürrisch abgestiegen war, die Klappe öffnete, trat Juliet aus dem ehemaligen Schweinekarren, streckte sich und atmete tief die würzige, frische Waldluft ein. Erst jetzt merkte sie, wie verklebt sie am ganzen Körper war. Sie hob unwillkürlich den Arm und verzog ihre zierliche, gerade Nase, da ihr ein stechender Schweißgeruch in die Nase stieg.
    Ihr Blick fiel erneut auf das grüne, saubere Wasser des Weihers und auf den Wasserfall an seinem Ende, über den sich der Dulnain in den Weiher ergoss, ihn mit seinem Wasser speiste und, wie sie wusste, kurz vor Grant Castle in den Spey mündete. Dessen breite, rauschende Wasser trieben die Mühle an, in der die Grants ihr Getreide mahlten. Wie wundervoll wäre es, dachte sie, jetzt ein Bad nehmen zu können.
    Und warum auch nicht? Wer sollte mich daran hindern?
    »Milady, hier
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher