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Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose
Autoren: Jo MacDoherty
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auch gehört. Allerdings hatte sie die Mär nicht von einem der abergläubischen einfachen Clanmitglieder erzählt bekommen, sondern von William, dem jüngsten und einzigen noch unverheirateten Sohn Archibald von Grants. William neigte erheblich weniger zum Aberglauben als die meisten anderen Clanmitglieder. Obwohl auch er mit ernster Miene von einem Elfenkönig gesprochen hatte, der seine Ururgroßmutter an diesem Teich verführt und geschwängert hätte, hatte Juliet seinen Zwischentönen eine ganz andere Geschichte entnommen. Demzufolge war dieser Elfenkönig wohl doch eher ein handfester Mann aus Fleisch und Blut, der eine Lady von Grant verzaubert hatte, die sich mit ihm wegen der totgeschwiegenen Mannesschwäche ihres Gemahls nur allzu willig und ohne die Zuhilfenahme irgendwelcher magischen Zaubersprüche an dem verwunschenen See getroffen und sich ihm hingegeben hatte. Vielleicht auch aus eigenem Vergnügen, aber wohl vor allem, um dem Geschlecht der Grants einen Erben zu schenken. Jedenfalls hatte William angedeutet, dass seit diesem Vorfall das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen den Grants und dem Clan der McPhersons ein wenig abgekühlt sei. Dabei lag dieser Vorfall schon über einhundert Jahre zurück. Diese Schotten haben eben ein verdammt gutes Gedächtnis, das sich nur noch mit ihrer unglaublichen Sturheit messen kann, dachte Juliet und sah ihre Freundin tadelnd an.
    »Dermott MacIntosh ist kein Kentaur, sondern nur ein lüsterner Ziegenbock«, erklärte sie und schüttelte sich unwillkürlich, als sie an die unverschämten Blicke dachte, mit denen der junge Schotte sie gemustert hatte. Sie vermutete stark, dass sie ebenso seiner kaum verhüllten Lust entsprangen wie dem Kalkül seines nicht minder barbarischen Vaters, die Unterhändlerin der Gattin Jakobs aus dem Konzept zu bringen.
    Wenigstens das ist ihm nicht gelungen, dachte Juliet und sah aus dem Fenster. Aber mein Vorhaben, die MacIntoshs auf die Seite des Kronprinzen zu ziehen, ist ebenfalls gescheitert. Und was Kentauren und Elfenkönige angeht … Sie verzog spöttisch die Lippen. Es mangelte ihr nicht an Verehrern. Das war in Frankreich ebenso gewesen wie in Windsor, wo die jungen englischen Höflinge sich um ihre Gunst beinahe gebalgt hatten, die alten auch, ergänzte sie mit einem angewiderten Frösteln, und selbst der junge William Grant mit seinen sechzehn Jahren hatte sie manchmal mit einem Blick gemustert, den sie nicht so recht deuten konnte und, wenn sie ehrlich war, auch nicht deuten wollte.
    Doch Juliet hatte bisher jedem Werben widerstanden. Nicht zuletzt, weil sie die glückliche und trotz ihres langen Bestehens noch leidenschaftliche Ehe ihrer Eltern vor Augen hatte. Ihre Mutter hatte ihr häufig erzählt, wie sie ihrem Vater begegnet war und augenblicklich gewusst habe, dass dieser Mann der Vater ihrer Kinder und ihr leidenschaftlicher Geliebter werden würde. Die junge Juliet hatte sich geschworen, auf diesen Moment des unwiderstehlichen Kribbelns im Magen und Schwindels im Kopf zu warten, von dem ihre Mutter mit einem warmen Lächeln gesprochen hatte. Und die erwachsene Juliet hielt sich an ihren Schwur. Allerdings fiel es ihr immer schwerer, denn es schien fast so, als meinte das Schicksal es nicht so gut mit ihr wie mit ihrer Mutter. Das Kribbeln und der Schwindel hatten sich bisher bei keinem Mann eingestellt, wenn einer ihrer Verehrer eine körperliche Reaktion bei ihr ausgelöst hatte, war es zumeist eine des Ekels und Widerwillens gewesen.
    Doch als ihr Blick jetzt aus dem kleinen Fenster der Kutsche fiel, waren alle Gedanken daran vergessen, und sie hielt unwillkürlich den Atem an.
    »Wie wundervoll!«, stieß sie hervor, als sie die Luft mit einem ergriffenen Seufzer ausstieß. Sie beugte sich aus dem provisorischen Fenster, was bei dem schwankenden Gefährt nicht ganz ungefährlich war. »Haltet an!«, rief sie dem Kutscher zu.
    Der Mann reagierte jedoch nicht auf ihren Ruf, sei es, weil er ihn nicht gehört hatte, oder aber, weil er Angst hatte, ausgerechnet an dieser Stelle zu verweilen.
    »Haltet an, sage ich!« Juliet legte ihre ganze Autorität in diesen Befehl, und diesmal gelang es ihr, eine Reaktion bei dem Mann hervorzurufen.
    »Aber Milady, wir sind am Elfenteich«, entgegnete er mit verbissener Miene. »Grant Castle liegt nur eine halbe Stunde entfernt, und hier anzuhalten würde bedeuten …«
    »Eben weil wir am Teich sind, will ich halten. Tut, was ich sage!«, fauchte Juliet wütend und zog im
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