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Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose
Autoren: Jo MacDoherty
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Schurke!« Die grauen Augen des Mannes funkelten wie der Stahl seiner Klinge, die er nach wie vor, ohne zu zittern, mit ausgestrecktem Arm dem Mann am Ufer an die Kehle drückte.
    Juliet wusste, wie schwer so ein Langschwert war, und sie konnte nur ahnen, wie viel Kraft es den Mann kostete, die Waffe so ruhig zu halten. Aber der Gedanke verschwand sofort wieder aus ihrem Kopf. Denn die Stimme des Mannes jagte ihr eine kalte Furcht durch den Körper. So sprach jemand, der getötet hatte und töten würde. Sie rang mit sich, ob sie Einspruch erheben und um das Leben der beiden Schurken bitten wollte, aber erneut kam ihr der Fremde zuvor.
    »Ich sollte euch von Rechts wegen die Köpfe abschlagen«, knurrte er, ohne den Blick von dem Mann im Weiher zu nehmen. »Verdient hättet ihr es, allein schon wegen der Wilderei. Aber eine hilflose Frau zu überfallen und sich ihrer bemächtigen zu wollen ist eines ehrenhaften Mannes unwürdig.« Er verstummte, und sein Blick zuckte zu Juliet hinüber. Sie erschauerte, als er sie einmal von Kopf bis zu den Schultern maß und dann den Blick weiter nach unten wandern ließ, wo ihr Körper von dem grünlichen Wasser des Weihers verborgen wurde. Unwillkürlich wünschte sie sich, das Wasser wäre schwarz und undurchdringlich gewesen, und gleichzeitig erregte sie der Gedanke, dass ihre Haut hell durch das Grün schimmerte und so, wenn auch undeutlich, zu erkennen war. Sie errötete, als sie dieses Gedankens gewahr wurde, und tauchte unwillkürlich noch etwas tiefer unter.
    Die Miene des Fremden veränderte sich nicht, aber Juliet glaubte, ein belustigtes Funkeln in seinen stahlgrauen Augen gesehen zu haben. Sicher war sie sich dessen jedoch nicht, denn er richtete seinen Blick wieder auf die beiden Männer.
    »Es geziemt sich nicht, einer Lady den Anblick eines geköpften Schurken zuzumuten, Kerle, also könnt ihr euch bei ihr bedanken, dass ihr überhaupt noch am Leben seid. Wie ich mit euch verfahre, überlasse ich der Lady, der ihr so übel mitspielen wolltet. Auf ihr Wort verliert ihr Kopf und Leben, oder aber sie lässt Gnade walten. Nun, wollt ihr die Lady nicht um ihren Urteilsspruch bitten?«
    Juliet merkte, dass sie hörbar ausatmete. Also war ihr unbekannter Retter doch kein brutaler Barbar, wie sie schon gefürchtet hatte. Sie wusste, dass er im Recht gewesen wäre, wenn er kurzen Prozess mit den beiden gemacht hätte. Die Schotten, vor allem die Adligen, gingen nicht gerade zimperlich mit Wilderern um und noch viel weniger mit Vergewaltigern. Jedenfalls nicht, wenn die Opfer adlige Ladys waren.
    »Also, Milady? Wärt Ihr so freundlich, Euer Urteil zu verkünden?« Jetzt klang die Stimme des Mannes eindeutig spöttisch. »Mir wird nämlich, mit Verlaub, langsam der Arm etwas schwer.«
    Juliet holte tief Luft. »Lasst sie am Leben«, sagte sie. »Sie sollen verschwinden, wenn sie versprechen, sich zu bessern und so etwas nie wieder zu tun.«
    Der Fremde sah sie beinahe ungläubig an. »Ihr wollt sie einfach laufen lassen?«
    Als Juliet nickte, kniff er die Augen zusammen und musterte sie aufmerksamer. Nach einer Sekunde zuckte er mit seinen breiten Schultern und ließ die Schwertspitze von der Kehle des Mannes sinken.
    »Wie Ihr wollt, Milady«, sagte er. Ohne das Schwert ganz zu senken, hob er die Arbalest an, so dass ihr Bolzen in den Himmel zeigte. »Ihr habt die Lady gehört, Kerle. Also macht, dass ihr wegkommt! Und lasst eure Bögen und Kurzschwerter liegen!«, fuhr er den Mann am Ufer an, als der sich bückte, um seine Waffe aufzuheben. »Ich bin nicht geneigt, mich dem Wunsch einer Lady zu widersetzen, aber ich bin auch nicht so naiv zu glauben, dass sich ein Halsabschneider in einem Wimpernschlag plötzlich in einen Heiligen verwandelt. Und noch etwas verspreche ich euch: Kommt ihr mir noch einmal unter die Augen, hole ich das nach, wovor euch heute die Lady bewahrt hat, verstanden?«
    Mittlerweile war der eine Wilderer aus dem Weiher gestiegen und bückte sich, um seine Hose aufzuheben. Beide nickten eifrig bei Connors Worten, obwohl der trockene Wilderer einen sehnsüchtigen Blick zu den beiden Lederbeuteln warf. Aber unter Connors eisiger Miene riss er sich zusammen und starrte mürrisch zu Boden.
    »Verschwindet endlich!«, fuhr Connor sie an, als der Mann aus dem Weiher umständlich in seine Hose steigen wollte. »Du kannst dich woanders ankleiden. Ich kann euren Anblick nicht mehr länger ertragen.« Er hob kurz sein Langschwert an. Diese Aufmunterung genügte.
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